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Drogendilemma: ins Krankenhaus oder ins Gefängnis?

Drogendilemma: ins Krankenhaus oder ins Gefängnis?

20.11.2012 — Analyse


Auf die Gründer des neuen staatlichen Reha-Zentrums für Drogensüchtige "Ural ohne Drogen" wartet ein langer und schwieriger Weg. Die Regierung des Swerdlowsker Gebiets plant, hunderte von Drogenabhängigen zum wahren Leben zurückzuführen. Auf dem Treffen mit dem Swerdlowsker Gouverneur Evgenij Kujwaschew gab der russische Präsident Wladimir Putin sein OK für die Gründung des Reha-Zentrums unter der Schirmherrschaft des Staates. Doch schnelle Siege auf dem Schlachtfeld gegen das Böse, auf welchem Europa und die USA seit Jahren erfolglos kämpfen, sind nicht zu erwarten. Das Reha-System für Drogensüchtige kann in Russland keiner Kritik standhalten und nicht mal die Gerichte können den Drogensüchtigen in eine Klinik einweisen. Der Chef-Arzt von "Ural ohne Drogen" Anton Poddubnyj erzahlte in einem Interview mit  "RusBusinessNews" daruber, ob man die Macht des Staates fur die Hilfe fur Drogensuchtige braucht. 

- Anton Wladimirowitch, wie wird denn die Arbeit des Zentrums organisiert?

- Das Beratungsbüro des Zentrums wurde in Jekaterinburg vor einem Monat eröffnet. Die Spezialisten – Sozialarbeiter, Psychologe und Drogen-Psychiater führen Einzelsitzungen mit Drogenabhängigen durch, darüber hinaus können ihre Angehörige an Gruppensitzungen teilnehmen.

Im Juli 2013 wird die Hauptklinik des Zentrums in Schirokaja Retchka eröffnet. In ihr können bis zu 60 Patienten, 15 Frauen und 45 Männer behandelt werden. Dort findet die dritte Phase der Drogen-Reha statt. (Die erste Phase – ambulante Hilfe des Drogen-Psychologen, zweite Phase – Drogenentzug in der Klinik). Während dieser Phasen wird man den Abhängigen helfen, den Drogenrausch zu bekämpfen und zur Reha motivieren. Dies ist besonders wichtig, weil die Drogensüchtigen an ihre Heilung oft selbst nicht glauben. Nicht alle Süchtigen werden sich sofort zur Reha entschließen, die Zahl der Mutigen wird auf 10-15% geschätzt. Die restlichen werden eine solche Möglichkeit gar nicht erst in Betracht ziehen, bis sie nicht im Krankenhaus landen. Die Behandlung im Zentrum ist freiwillig. Wir wollen keinen mit Gewalt zur Reha zwingen.

Die Reha, welche für die Patienten kostenlos sein wird, wird zwischen 4 und 9 Monaten, aber nicht länger als 1 Jahr lang dauern. Die schwierigsten werden, selbstverständlich, die ersten Monate sein. In dieser Zeit planen wir, den geistigen Aspekt in den Vordergrund zu stellen.

Wenn der Drogenabhängige sich besser fühlen wird, kommen die Psychotherapeuten, Drogenärzte, Sozialarbeiter, Spezialisten für Arbeitstherapie ins Spiel. Unsere Patienten werden ihren Alltag selbst bewältigen und in der Landwirtschaft arbeiten. Geplant ist eine kleine Produktionsstätte zu eröffnen, doch welche genau wissen wir noch nicht. Eine interessante Richtung, welche wir mit dem Leiter der regionalen Verwaltung der Drogenfahndung Michail Kagan besprochen haben ist die Hundezucht. Die Verwaltung baut ein Tierheim und ich bin mir sicher, dass wir eine gemeinsame Basis im Bezug auf dieses Projekt finden werden.

Eine wichtige Rolle in der Reha spielt der Sport. Im Gebäude, welches derzeit renoviert wird, gibt es eine große Halle für Volleyball und Basketball. Dort werden wir Sportgeräte aufstellen und Boxsäcke aufhängen. Es wird auch ein Stadion mit einer Laufbahn geben. Außerdem werden wir berühmte Trainer einladen.

- Glauben Sie an den Erlog des Projekts? Haben Sie als Arzt die Zuversicht, dass der ehemalige Junkie, nachdem er die Klinik verlässt nicht sofort seinen Dealer anrufen wird?

- Den Menschen von der Drogensucht zu befreien ist ganz einfach, man muss den Menschen einfach isolieren. Dann wird er auf jeden Fall aufhören, weil er sein Gras oder Pulver nicht bekommen kann. Der Leitgedanke unseres Zentrums ist ähnlich, wir werden unsere Patienten von der Gesellschaft isolieren. Doch das Hauptziel besteht nicht darin, dass sie während der Reha keine Drogen nehmen, sondern dass sie auch nach der Reha clean bleiben.

Wie Mark Twain schon sagte: "Das Rauchen aufzugeben ist ganz einfach, ich hab es schon 100 Mal gemacht". Deswegen starten wir ein Post-Reha-Programm, welches im Beratungsbüro stattfinden wird. Die "Absolventen" des Zentrums werden in Gruppen von etwa 15 Personen aufgeteilt und sich regelmäßig mit unseren Spezialisten treffen, um psychologische Unterstützung zu erhalten. Jede Gruppe wird ihr individuelles Programm haben.

Die Erfahrung von anderen Reha-Zentren bestätigt, dass Menschen, die an ihre Heilung glauben, auch nach der Reha miteinander in Kontakt bleiben, weil sie eine Beziehung auf emotionaler Ebene aufbauen. Keiner verspricht, dass die Zeit nach der Reha leicht sein wird. Man muss sehr selbstsicher sein und einen starken Willen haben. Dabei müssen die ehemaligen Abhängigen nicht nur dem Drogenmilieu, sondern dem gesamten Sozium wiederstehen. Die Menschen halten einen Drogenabhängigen, selbst wenn er aufgehört hat, für einen verlorenen Menschen. Es ist ein großer Irrtum. Ich kenne Dutzende Menschen, welche ihre Sucht erfolgreich bekämpft haben. Sie sind genau so, wie ich und Sie, aber sie kennen den Preis der Freiheit, welche von den Drogen geraubt wurde.

- Werden Sie ihre Patienten bei der Jobsuche unterstützen?

- Natürlich. Ohne einen Job wird der ehemalige Junkie schnell zu seinem alten Leben zurückkehren. Wenn man etwas will, sucht man nach Möglichkeiten, wenn man etwas nicht will, dann sucht man nach Gründen. Ich hoffe, dass unsere Patienten nach Möglichkeiten suchen werden. Keiner Verspricht, dass sie sofort Geschäftsführer werden, doch keiner sagt auch, dass nach 10 Jahres sie keine Geschäftsführer sein werden. Alles hängt vom Menschen ab, deswegen muss man ihm eine Chance geben. Eine andere Frage ist, ob der Mensch die Chance nutzt.

- Europa kämpft seit Jahren mit der Drogensucht. Welche erfolgreichen europäischen Praktiken können in Russland angewandt werden?

- Wie der Chef-Drogenarzt des Swerdlowsker Gebiets Oleg Zabrodin einst sagte, sind die Drogenabhängige in Europa und Russland völlig unterschiedlich. Sie haben eine andere Mentalität, sie nehmen andere Drogen. Was, zum Beispiel, Heroin angeht, so hat man nur 2 Wege, entweder ins Gefängnis, oder ins Krankenhaus. Nehmen sie mal Frankreich, Schweden und andere demokratische Staaten. Dort sind die harten Drogen verboten. Wenn man im Rausch erwisch wird, wird der Drogensüchtige strafrechtlich verfolgt und muss eine Therapie machen, ansonsten kommt er ins Gefängnis. Und dort wählen alle Drogenabhängigen die Behandlung in der Klinik, weil sie nicht hinter Gittern kommen wollen. Bei uns gibt es solche Alternative nicht, doch ich hoffe, dass die Frage der Pflicht-Therapie bald gelöst wird.

- Wie viele Drogenabhängige gibt es offiziell im Swerdlowsker Gebiet?

- Im Jahr 2011 waren offiziell 11 Tausend Süchtige erfasst. Im Jahr 2009 waren es aber über 12 Tausend. In Russland und den GUS-Staaten verändert sich die Struktur der Drogenabhängigen. Noch drei oder vier Jahre und es wird keine klassischen Heroin- und Morphin-Junkies geben. Sie werden einfach alle sterben. Die Jugendlichen heute nehmen andere, vermutlich legale Drogen. Um Heroin in Jekaterinburg zu finden, muss man sich schon anstrengen, denn die Drogenfahndung und Polizei ermitteln ständig gegen die Dealer. Schwer zu finden sind die pflanzlichen Drogen, wie Opium-Gruppe und Cannabis. Hier sieht man die Arbeit der russischen Drogenfahnder, welche den Drogenschmuggel aus Mittelasien gestoppt hat. Die 20-jährigen Jungs werden sich keine Mühe machen, wenn man im Internet Rauchgemische und Salze bestellen kann. Wir suchen gezielt nach solchen Seiten im Netz und geben die Informationen an die zuständigen Behörden weiter. Alle solche Drogen sind, im Grunde genommen, synthetisch. Sie sind deshalb so gefährlich, weil sie zu starken Psychosen führen, die Menschen drehen einfach durch. Es ist kein gewöhnlicher Rauschzustand, im Gehirn des Menschen findet eine organische Störung statt. Solche Psychosen können mit Arzneimitteln nicht behandelt werden.

- In Russland gibt es zwei entgegengesetzte Meinungen, was Drogen angeht. Einige sind die Befürworter der strengen und harten Drogenpolitik, andere sprechen sich für die Legalisierung von weichen Drogen aus. Was sagen Sie dazu?

- Ich bin strickt gegen die Legalisierung von weichen Drogen. Was ist denn ein Unterschied zwischen leichten und harten? Alle Drogenabhängigen beginnen mit den leichten Drogen, zu welchen auch Cannabis gehört, und steigen dann auf härtere um.

In Russland stirbt die Nation aus, doch man darf aber nicht aufgeben. Mit ist klar, dass wir mit der Eröffnung des Zentrums "Ural ohne Drogen" einige Jahre zu spät sind. Na und? Auch wenn wir zu spät gekommen sind, ist es gut, dass wir es überhaupt gemacht haben. Auf uns wartet noch viel Arbeit und ein Zentrum reicht hier nicht aus. Der Gouverneur des Swerdlowsker Gebiet Evgenij Kujwaschew gab dem regionalen Gesundheitsministerium den Auftrag, solche Kliniken bis 2017 im jedem Gebietsbezirk zu eröffnen.

Wenn man dem Problem auf den Grund geht, dass stellt man fest, dass wir die Jugendlichen von der Straße holen müssen. Sie müssen eine Aufgabe haben und nicht sinnlos nach Abenteuern suchen. Wir brauchen mehr Sportvereine und Freizeitzentren, welche kostenlos sein müssen. Die Sorge um die Gesundheit und die gesunden Lebensweise müssen bereits im Kindergarten nahegelegt werden. Es ist wichtig, den jungen Menschen beizubringen, dass ihr Leben gesund, schön und sinnvoll sein muss, und das ist heute die schwierigste und wichtigste Aufgabe.

Interview von Anna Khorkowa

 

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