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Kommen die arbeitslosen Atomprofis auch nach Nordkorea?

Kommen die arbeitslosen Atomprofis auch nach Nordkorea?

31.07.2009 — Analyse


Die russische Regierung kann das Systemproblem der Arbeitsbeschaffung für hoch qualifizierte Atomfachleute aus geschlossenen Atomstädten im Ural nicht lösen. Wie die Korrespondenten von RusBusinessNews herausgefunden haben, sind die Förderprogramme für ehemalige Atomprofis wenig effektiv. Die Schurkenstaaten Nordkorea und Iran können die bestehende Situation ausnutzen.

 

In den letzten Jahren wird die Atombranche in Russland aktiv umstrukturiert und reformiert. Man plant nämlich die Atomproduktion zu reduzieren und die Profilunternehmen, die zu Rosatom gehören, zu reorganisieren.

Insgesamt verfügt Russland über 10 geschlossene administrativ-territoriale Gebilde mit städtebildenden Atomunternehmen. In diesen geschlossenen Städten wohnen insgesamt ca. 770.000 Menschen. Rund 12 Prozent von ihnen sind bei Rüstungsunternehmen tätig. In 5 Jahren wird man im Rahmen der sog. Atomreform 15.000 Arbeitsplätze streichen.

Die Region Ural wird davon besonders stark betroffen: Hier liegen 5 geschlossene Atomstädte in Gebieten Swerdlowsk (Lesnoi und Nowouralsk) und Tscheljabinsk (Sneschinsk, Osjorsk und Trjochgorny).

In Sneschinsk liegt das Staatunternehmen Russisches Föderales Atomzentrum - Allrussisches wissenschaftliches Sababachin-Forschungsinstitut für technische Physik (RFJaZ VNIITF). Wie Jurij Rumjantsew, stellv. Bürgermeister von Sneschinsk, RusBusinessNews mitteilte, startete man mit der Reorganisation von Atomobjekten vor fast zehn Jahren.

"Im Rahmen dieses Vorgangs baut die Staatskorporation Rosatom, zu der auch RFJaZ VNIITF gehört, seit einigen Jahren das Personal ab und steigert die Effizienz. Eine aktive Reorganisierung aber beginnt gerade jetzt. Da Sneschinsk durch eine wirtschaftliche Monostruktur geprägt ist, finden hier die entlassenen Ingenieure, Physiker und Mathematiker kaum eine neue Arbeitsstelle. "Heute verlassen unsere Stadt jährlich bereits ca. 200 bis 300 Personen", betont Jurij Rumjantsew.

Es gibt keine offiziellen Statistikdaten über Entlassungen in den Uraler Atomunternehmen. Im Gespräch mit RusBusinessNews unterstreichen die Vertreter von Verwaltungen der geschlossenen Städte, dass bis jetzt jährlich nur ein paar Dutzend Mitarbeiter entlassen wurden. Die Zahl ist nicht enorm groß. Aber erstens ist es klar, dass sie in den nächsten Jahren weiter wachsen wird. Zweitens zählen die Atomphysiker zu sog. Stückwaren, deswegen können das Problem der Nichtverbreitung von Atomwaffen nur ein paar helle Köpfe verschärfen.

Nach Worten von Jurij Rumjantsew werden die entlassenen Atomprofis, die in ihren Städten keine Arbeit finden, nach Moskau und Sankt Petersburg umziehen, wo ihre perfekte Ausbildung und einzigartigen Erfahrungen gefragt werden. In den nächsten 5 bis 10 Jahren dürfen sie ins Ausland nicht. Danach können die meisten von ihnen aus Russland auswandern. Weiter wird es sehr schwer fallen, die Fachleute, die über Produktionsverfahren der Nuklearwaffen verfügen, weiter im Auge zu behalten.

Das Risiko, dass die Informationen über Atomwaffen verbreitet werden, fördert die Entwicklung von internationalen Programmen zur Bindung der Fachleute an geschlossene Städte. Im Ural gibt es nur ein internationales Projekt zur Unterstützung von ehemaligen Atomprofis - das russisch-britische Partnerschaftsprogramm Atomstädte.

Das Atomstädte-Programm wird nicht in alle geschlossenen administrativ-territorialen Gebilde zugelassen. In der Stadtverwaltung Lesnoi teilte man RusBusinessNews nämlich mit, dass die Beteiligung der Stadt am russisch-britischen Partnerschaftsprogramm Atomstädte und an jedem anderen internationalen Programm dieser Art vom russischen Inlandsgeheimdienst (FSB) verboten wird. In der geschlossenen Stadt Trjochgorny hat man über das Atomstädte-Programm überhaupt nichts gehört.

Das Atomstädte-Programm gewährt den Unternehmern die Fördermittel im Wert von max. 200.000 Pfund unter der Bedingung, dass in der jeweiligen geschlossenen Stadt ein Unternehmen gegründet wird, bei dem zu 55 Prozent die ehemaligen Mitarbeiter der Atomrüstungsunternehmer eingestellt werden. Ab 2002 bekamen die Uraler Atomstädte im Rahmen des Programms bereits über 4,5 Mio. Pfund, weitere 8,5 Mio. Pfund werden von Initiatoren der Business-Projekte aufgebracht (die Fördermittel werden nur unter Bedingung der Mitfinanzierung gewährt).

Die meisten Unternehmen, die im Rahmen des Atomstädte-Programms gegründet werden, haben Schwerpunkt Technik und sind direkt mit der Problematik des effizienten Energieverbrauchs verbunden. OOO DiagEn ("Diagnostik und Energieeffizienz"), das erste Unternehmen dieser Art, wurde in Sneschinsk 2004 gegründet und bietet Dienstleistungen im Bereich der Energieeffizienz an. In zwei Jahren wurde das Unternehmen schon rentabel und begann seine Präsenz auf den Märkten der Gebiete Swerdlowsk und Tscheljabinsk auszubauen. Später wurde DiagEn zum Unterbeauftragten der Europäischen Bank für Wiederaufbau- und Entwicklungshilfe und führte für die Bank das Energie-Audit von großen russischen Industrieunternehmen aus. Im Jahr 2007 bezog das Unternehmen zum zweiten Mal die Fördermittel im Rahmen des Atomstädte-Programms, die in Diagnoseausrüstung und Ausbau der Energie-Audit- und Energie-Service-Dienstleistungen sowie in die Schulung des Personals investiert wurden.

"Die ehemaligen Mitarbeiter des städtebildenden Unternehmens haben es nach ihrer Kündigung schwer, eine gute Arbeitsstelle in Sneschinsk zu finden", meldet Alexey Cholodow, Geschäftsführer von OOO DiagEn, an RusBusinessNews. "Die Atomphysiker können erstens seinen Beruf in der Heimatstadt nicht mehr ausüben und wollen kaum als einfache Arbeiter tätig sein. Die Löhne sind bei den städtebildenden Unternehmen zweitens einige Male höher als im Durchschnitt in der Stadt. Dabei verdienen die Ingenieure bei VNIITF 1,5 Mal mehr als in unserem Unternehmen".

Das Atomstädte-Programm unterstützt natürlich die Uraler Atomstädte beim Diversifizieren ihrer Wirtschaft und Reduzieren von sozialen Spannungen sehr. Das entspricht aber der Zielsetzung des Programms selbst, also der Bindung der Atomphysiker an die geschlossenen Städte, sehr wenig. Die Fördermittel bekommen vorwiegend die Klein- und Mittelunternehmen, die im Durchschnitt nur 10 bis 15 neue Arbeitsplätze für hoch qualifizierte Mitarbeiter schaffen.

"Große Investitionen in große Unternehmen, die hohe Technologien einzusetzen und auf einmal 500 Arbeitsplätze zu schaffen versprechen, ist in der Regel mit hohen Risiken und Verlusten verbunden", erklärte RusBusinessNews Alexander Zibulja, stellv. Geschäftsführer der Moskauer Repräsentanz von HTSPE Ltd.

Als Resultat konnte die Partnerschaft trotz der im Ural getätigten Investitionen in Höhe von über 4,5 Mio. Pfund seit dem Start des Programms für ehemalige Mitarbeiter der städtebildenden Unternehmen nur 332 Arbeitsplätze neu geschaffen, zusammen mit anderen Stadteinwohnern bekamen 507 Personen eine neue Arbeit. Im Rahmen der Realisierung der gestarteten Projekte werden weitere 350 Arbeitsplätze geschafft. Nach den Informationen von Jurij Rumjantsew aber werden bis 2015 in Sneschinsk allein ein paar tausende Mitarbeiter von RFJaZ VNIITF entlassen, d. h. die neuen Arbeitsplätze decken die gestrichenen überhaupt nicht ab.

Die Städte können das Problem der Arbeitsbeschaffung für Atomphysiker selbständig nicht lösen. In der Stadt Lesnoi beispielsweise repräsentieren den KMU-Sektor nur Geschäfte und Friseursalons. Das städtebildende Unternehmen ist hier das Kombinat Elektrochimpribor, wo neben der Uran-Munition auch stabile Isotope hergestellt werden. Es werden bei Elektrochimpribor bis jetzt noch keine Massenentlassungen erwartet, es fehlt aber auch in dieser geschlossenen Stadt an alternativen "intelligenten" Arbeitsplätzen.

Die im Ural auf Kosten der regionalen Haushalte gegründeten Technoparks und Business-Inkubatoren lösen das Problem auch nicht. "Das Wesen der Business-Inkubatoren wird oft nur als Schaffen der Büro-Arbeitsplätze verstanden. Das ist für uns keine Unterstützung", meint Alexey Cholodow, Geschäftsführer von OOO DiagEn. "Es ist nicht problematisch, ein Büro zu mieten, die Miete macht max. 10 Prozent von gesamten Kosten des Unternehmens aus. Unserer Meinung nach wäre es viel effizienter, eine Produktion mit Produktionshallen und Maschinen zu gründen, wo die Fachleute an der Entwicklung von Geräten arbeiten könnten."

Die russische Regierung muss verstehen, dass das Braindrain nicht morgen beginnt, sonder bereits im vollen Gange ist. Und wenn in den 90er Jahren die Atomphysiker nach Westen zogen, so streben sie heute nach Asien - nach China, Indien und in den Iran.

"Das Problem mit den fehlenden Arbeitsplätzen und das Auswandern der Fachleute aus geschlossenen administrativ-territorialen Gebilden gibt es heute wirklich," gibt Alexey Cholodow zu. "Es ist natürlich nicht so leicht aus dem Land auszuwandern. Haben Sie keine Ausreisegenehmigung, so wird Ihnen kein Reisepass ausgestellt. Es bleiben vielleicht noch Varianten mit dem Auswandern durch die GUS-Staaten - durch die Ukraine und Weißrussland, denn die russischen Bürger dürfen in diese Länder auch mit ihrem russischen Innenpass einreisen."

Ewgenija Erjomina, Pawel Kober

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