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Die Stadtwerke auf der Jagd nach dem Geld der Russen16.03.2011 — Analyse Der letzte Winter hat den Stadtwerken der Ural-Region harte Schläge erteilt. Alleine in Jekaterinburg wurden in den ersten Monaten des laufenden Jahres über 100 Störungen festgestellt. Die Stadtwerke geben den Temperaturschwankungen und den niedrigen Tarifen die Schuld, weil man einfach kein Geld hat, um die Leitungen in Ordnung zu bringen. Die Behörden fordern die Stadtwerke auf, in die Leitungen mehr zu investieren. Der Berichterstatter von "RusBusinessNews" wollte klarstellen, warum das Versorgungsnetz aus allen Nähten platzt. Da fließt das Wasser aus dem Rohr Rohrbrüche, Ströme vom heißen und kalten Wasser auf den Straßen, Häuser, die eher einem Gefrierfach ähneln, gehören in vielen russischen Städten zum traurigen Alltag im Winter. Jekaterinburg ist keine Ausnahme aus dieser Regel. Die Erklärung liegt auf der Oberfläche, genauer gesagt unter der Oberfläche, denn im Durchschnitt sind die russischen Versorgungsnetze zu 60% abgenutzt (Stand 2011). Wie der Sachverständige des Wirtschaftinstitutes der Stadt Wladlen Prokofjew in einem Gespräch mit "RusBusinessNews" erklärte, muss man in Russland jedes Jahr rund 4% der Wärme- und Wasserleitungen auswechseln, also beträgt ihre Lebensdauer rund 25 Jahre. In Wirklichkeit werden aber rund 2%, und in den 90-er Jahren wurden höchstens 1.5% der Rohre ausgewechselt. "Die vielen Unfälle sind ein Ergebnis der Trägheit der Eigentümer der Infrastruktur. Früher waren die Gemeinden die Eigentümer, heute sind es private Gesellschafte. Ein solches Ergebnis ist ganz natürlich und war zu erwarten", - behauptet W. Prokofjew. Die Netzeigentümer beklagen sich über den Mangel an Investitionen. Ein Großteil des Geldes für die Erneuerung und Reparaturen der Leitungen wird im Verbraucherpreis festgelegt, doch das Geld reicht vorne und hinten nicht aus. "Um die Infrastruktur zu erhalten müssen wir jährlich rund 1.2 Milliarden Rubel investieren. Die aktuellen Tarife bringen uns aber rund 600 Millionen ein", - erklärte der Pressedienst der "Wärmeversorgungsgesellschaft von Swerdlowsk" AG (STK). Im Jahre 2010 hat die WVG rund 595 Millionen Rubel in die Erneuerung und Austausch von 8 Kilometer Rohrleitungen in Jekaterinburg investiert. Doch als der erste Frost kam, fingen die Rohre an zu platzen. Die Stadtverwaltung hat aus Angst vor einem kommunalen Zusammenbruch eine Erhöhung der Finanzierung um 2-2.5 Mal gefordert, doch die Energielieferanten erklärten, dass sie kein Geld dafür haben. Der im wahrsten Sinne des Wortes "kalte Krieg" endete erst, als die Gesellschaften zum RAB-Abrechnungssystem wechselten, d.h. dass die Nutzungsgebühren für mindestens 3 Jahre festgelegt werden. Die neue Abrechnungsmethode wird der WVG helfen im Jahr 2011 an neue Mittel, darunter Kredite zu kommen. Die "Verwaltungsgesellschaft RosWodoKanal" (Wasserwerke) GmbH, die in 7 Regionen ihre Betriebe verwaltet, sieh den Grund für den katastrophalen Zustand der Netze ebenfalls im chronischen Geldmangel. Die Einschränkungen des Tarifwachstums hat die finanzielle Not der Versorgungsbetriebe zusätzlich verstärkt. "Die Preise für Wasser sind in Russland nicht wirtschaftlich begründet, der Investitionsaufschlag ist entweder sehr niedrig (rund 4%), oder fehlt ganz. Deswegen haben die Lieferanten keine Möglichkeit Geld in die Erneuerung und Modernisierung der Netze und Anlagen zu investieren" - berichtete der Sprecher der Gesellschaft. Laut Informationen von "RosWodoKanal" beträgt der Investitionsaufschlag in den europäischen Ländern rund 50-70%. In Deutschland hat das Wasser einen Nebenkostenanteil von 3.1%, in England sind es 5% und in Schweden rund 6.2%. Allerdings hindert die "Tarif-Diät" einige Lieferanten nicht daran das Geld der Verbraucher zum Fenster herauszuwerfen. So hat die Leitung des "WodoKanals" (Wasserwerke) von Jekaterinburg die Kosten für Reparaturen jährlich überhöht und Millionen von Rubel für den Bau von Häusern für die Spitze der Wasserwerke ausgegeben. Der Tarifsumpf Das Fehlen von einem klaren Nebenkostenabrechnungsverfahren und die Undurchsichtigkeit der Ausgaben ist das Hauptproblem der russischen Kommunalwirtschaft. In der Regionalen Energiekommission (REK) des Swerdlowsker Gebiets war man lediglich bereit nur die allgemeine Tarifstruktur zu erklären. Sie besteht aus den laufenden (Treibstoff, Strom, Lohn, laufende Reparaturen) und den kapitalen (Investitions-) Ausgaben des Versorgers. Die Investitionsausgaben umfassen die Modernisierung, den Bau und die Neuverlegung von Netzten und Anlagen und werden aus den Gewinnen abgedeckt. Der Investitionsanteil des Tarifs ist mehr als fraglich. Jährlich übergeben die Versorgen ihre Tarifvorstellungen an die REK, welche dort analysiert werden. "Wir sind gezwungen uns an die festgelegte maximale Wachstumsrate der Nebenkosten anzulehnen. Wenn die Gesellschaft gerade noch über die Runden kommt, kann sie ja kein Geld in die Netzerneuerung investieren", - betonte der Vertreter der REK. Doch die Experte erinnern daran, dass die Tarife lediglich seit 2010 begrenzt werden. Und in den letzten 10 Jahren sind die Nebenkosten in Russland um 7 Mal gestiegen. Dazu ein Beispiel: Im Jahre 2009 haben die Abgeordneten der Stadtduma von Jekaterinburg das Investitionsprogramm der Wasserwerke geändert, nach diesen Änderungen sollten die Wassertarife bis zum Jahr 2020 um 43% anwachsen. Auf Kosten der Verbraucher hätte sich das Investitionsvolumen der Gesellschaft um das 20-fache erhöht. Zum Glück sind diese Pläne nicht verwirklicht worden, denn der Staat stoppte den Investitionshunger der Monopolisten. Nach Meinung von Wladlen Prokofjew ist die Beziehung zwischen den Preisen und Modernisierung der Netze und Anlagen, an welche die Versorger appellieren, sehr schleierhaft. "Niemand weiß, ob der festgelegte Tarif für die Investitionsvorhaben des Versorgers ausreicht. Der Grund dafür ist die Virtualität der Preise. Die Tarife werden nicht von den tatsächlichen Ausgaben, sondern von verschiedenen Standards beeinflusst", - beklagt sich der Experte. Solche Praxis macht die langfristigen Investitionen in die Infrastruktur unwirtschaftlich. Jedes Jahr reparieren die Versorger die gleichen Rohre und versuchen dabei ihre Ausgaben so niedrig wie möglich zu halten. Ein Heizkeller für jeden Russen Um den langersehnten Schritt in die helle kommunalwirtschaftliche Zukunft zu machen, muss man Kriterien für die Bewertung der Kommunaldienstleistungen entwickeln und den Haftungsbereich der Investoren auszudehnen. In der Welt gibt es 20 verständliche Bewertungskriterien, in Russland dagegen kein einziges. Laut W. Prokofjew muss der Verbraucher die realen Ergebnisse der Tariferhöhungen sehen können. "Wenn der Verbraucher mehr für die Heizung bezahlen soll, dann soll sich die Heizqualität auch erhöhen. Die Heizqualität kann man in Unfällen pro Kilometer des Heizungsnetzes, oder in Heiztagen während der Heizperiode messen" - erklärt er. Ein Anreiz für die Modernisierung der Infrastruktur kann die Konkurrenz sein. Doch W. Prokofjew versteht darunter etwas anders. "Der Verbraucher kann das Rohr, durch welches das Wasser fließt nicht wählen. Aber in Finnland, kann man zum Beispiel die Fernwärme kündigen und einen Heizkessel im Haus installieren. Die Konkurrenz zwingt die Versorger dazu ihre Ausgaben zu optimieren und die Tarife zu senken", - betont der Experte. Die stellvertretende Direktorin des Kommunalwirtschaft-Instituts Swetlana Besedina behauptet, dass man in erster Linie die Verantwortung für die Versorgung der Verbraucher mit Kommunaldienstleistungen definieren muss: "Heute sind die Gemeinden für die Versorgung der Bevölkerung mit Wärme und Wasser verantwortlich. Dabei haben sie keine Einflussmöglichkeiten auf die Versorger, die private Gesellschaften sind". Dabei, erklärt sie, kann ein guter Investor durch Kredite oder eigene Mittel das Netz erneuern und die Ausgaben dann über den Tarif zurückholen. Erst dann wird der Anstieg der Tarife in Augen der Bevölkerung gerechtfertigt. Die Versorger haben andere Rezepte für das kommunale Wohlergehen der Russen. Am einfachsten wäre es die Tarifberechnung zu ändern. "Man muss einen langfristigen zweiteiligen Tarif einführen, welcher aus dem Tarif für die eigentlichen Ressourcen und dem Tarif für die Instandhaltung der Anlagen bestehen würde. Die Instandhaltungskosten würden aus den Betriebskosten, Löhnen und sonstigen obligatorischen Ausgaben des Versorgers bestehen. Der Anstieg der finanziellen Belastung der Endverbraucher wäre dann unmittelbar mit dem Abnutzungsgrad der Netze und dem Investitionsbedarf verbunden", - überlegt man in der "VG RosWodokanal" GmbH. Die Leitung der "Wärmeversorgungsgesellschaft von Swerdlowsk" AG schlägt vor, nicht die Verbraucher, sondern den Staat zur Kasse zu bitten. "Man kann die Tarife für die Bevölkerung nicht ohne eine Entschädigung erhöhen. Deswegen muss der Staat einen Weg finden, um die Ausgaben für die Modernisierung der Netze abzudecken, es muss entweder direkte Finanzierung erfolgen, oder Steuererleichterungen abgesprochen werden. Ein Weg um Investitionen in die Infrastruktur zu erhöhen, wäre die Abschaffung der Ertragssteuer", - glaubt man in der Gesellschaft. Solche Überlegungen der Versorger verwundern die Experten. Es wäre nicht schlecht, wenn der Staat sich an der Modernisierung der Netze beteiligt. Doch er soll es freiwillig tun. "Die privaten Unternehmen wurden nicht gezwungen in die Branche einzusteigen. Wenn das Geschäft ihnen Verluste bringen würde, hätten sie wohl nicht gearbeitet. Wenn sie schon mit der Sache angefangen haben, dann müssen sie auch ihre Verpflichtungen erfüllen. Der Staat hat genug andere Sorgen", - erklärt Wladlen Prokofjew. Der Markt der Kommunalwirtschaft ist für die Investoren immer noch sehr attraktiv, davon spricht die Tatsache, dass WVG nichts dagegen hätte auch noch die Wärmeversorgung von Jekaterinburg zu übernehmen. Die Gesellschaft will als "Alles aus einer Hand - Versorger" auftreten, welcher alle sonstigen Versorger überwachen wird und die Nebenkosten alleine einkassiert. Da stellt sich die Frage auf, was denn die Stadtwerke wirklich wollen, das Geld der Bevölkerung, oder ein funktionierendes Versorgungsnetz? Im Moment scheint es so, als wäre Geld für die Stadtwerke wichtiger, als das Wohlergehen der Menschen. Marina Sirina |
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