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In Russland wächst ein Frauenaufstand heran

In Russland wächst ein Frauenaufstand heran

02.06.2011 — Analyse


Populistische Halbmaßnahmen sind charakteristisch für die staatliche Politk in Russland. So war es auch mit dem Aufruf des Präsidenten an die Russinnen, mehr Kinder auf die Welt zu bringen, um das demographische Bild im aussterbenden und älter werdenden Russland erfreulicher aussehen zu lassen. 250 Tausend Rubel wurden den Müttern 2007 als Stimulus angeboten. Wer diesen Bonus, der in den letzten Jahren auf 115 Tausend angewachsen ist, bekommen möchte, muss bis 2017 mindestens ein zweites Kind zur Welt bringen. Unglücklicherweise haben diejenigen, die auf den Aufruf des Präsidenten reagiert haben, schon Millionen von Problemen erdulden, noch bevor sie Hunderttausende bekommen haben: Gedränge in den Polikliniken, nicht kürzer werdende Wartelisten in den Kindergärten und die kommende kostenpflichtige Schulbildung. Der Korrespondent der "RusBusinessNews" untersuchte, wie es dazu kommen konnte, dass der Staat zum Säen neuen Lebens aufrief, ohne den Nährboden dafür zur Verfügung gestellt zu haben.

Kinder kriegen oder nicht - das ist die Frage

Das Sverdlovsker Gebiet könnte als Beispiel dafür dienen, dem Präsidenten Folge zu leisten: Das Jahr 2008 wurde im Hinblick auf die Geburtenrate zum Rekordjahr der letzten fünf Jahre - 54 500 Neugeborene erblickten das Licht der Welt. Die Region jedoch erwies sich als nicht bereit dafür, der neuen Generation eine glückliche Kindheit zu gewährleisten. Wie Andrej Jefimow, Stellvertreter des Ministers für Allgemein- und Berufsausbildung der Sverdlovsker Region den "RusBusinessNews" mitteilte, wurden seit 1998, als die Geburtenrate sank, 300 nicht benötigte Kindergärten geschlossen. Die Gebäude eigneten sich Händler und föderale Strukturen an: Die Inneren Behörden und die Drogenaufsichtsbehörde. Als die demographische Situation wieder aussichtsreicher zu werden begann, fehlte für die "Umsiedlung" der Einen das Geld, für die der anderen der Charakter. (Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass die Kinder hoher Beamter ohne Warteliste in die Kindergärten aufgenommen werden).

Momentan warten allein den offiziellen Angaben nach 69 Tausend Kinder der Region Sverdlovsk auf ihre Plätze im Kindergarten. Da stellt sich logischerweise die Frage, warum die Behörden nicht von vornherein mit den Folgen eines solchen Baby-Booms gerechnet haben. Wie Nikolaj Woronin, Vorsitzender des Sozialkomitees der Duma der Region Sverdlovsk versichert, nahm der finanzielle Umfang von Bau- und Renovierungsmaßnahmen von Kindergärten seit 2008 jährlich um das 1,5-2-fache zu (bis zu 1,6 Milliarden Rubel 2011). Im Zuge des regionalen Programms für die Jahre 2010-2014 wurde versprochen, etwa 50 Tausend neue Plätze zu schaffen und alle bedürftigen Kinder von 1,5 bis 7 Jahren in Kindergärten unterzubringen. In den Wartelisten gibt es jedoch noch wesentlich mehr Antragsteller!

Ein Jahr Realisierungszeitraum des Programms brachte 13 Tausend neue Plätze. Davon entfallen jedoch lediglich 10 % auf neue Objekte. Die Übrigen wurden in bereits bestehende Gruppen "hineingezwängt". Die in Russland geltenden sanitären Normen sehen für jedes Kind, das älter als drei Jahre ist, zwei Quadratmeter in der Kindergartengruppe und als Schlaffläche vor, für Kleinkinder bis 3 Jahre - 2,5 Quadratmeter Spiel- und 1,8 Quadratmeter Schlaffläche. Gruppen, denen 50 Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen, dürfen also 25 Kleinkinder auf einmal beherbergen. Die Eltern sind empört: Mancherorts sind schon mehr als 30 Kinder in einer Gruppe, auf die nur ein Erzieher aufpasst. In den staatlichen Kindergärten arbeitet größtenteils noch die "alte Garde", während junge, aussichtsreiche Pädagogen in den privaten Kindergärten unterkommen, wo höhere Löhne gezahlt werden.

Igor Burdakow, kommissarischer Direktor der Bildungsverwaltung der Stadt Jekaterinburg, fasste die Situation offen zusammen: Die Pläne, das Defizit zu beseitigen, sind nur dann realistisch, wenn die Russinnen damit aufhören, in diesem Tempo Kinder zur Welt zu bringen.

Goldene Kinder

Wer schon ein Kind zur Welt gebracht hat, muss im wörtlichen Sinne bezahlen. Eine Babysitterin in Vollzeit schlägt im Familienbudget mit 15 - 25 Tausend Rubel zu Buche. Ein Platz im privaten Kindergarten kostet monatlich 10 - 15 Tausend Rubel.

Die steigende Nachfrage weckte die kommerzielle Ader der Voritzenden öffentlicher Kindergärten. In Jekaterinburg beispielsweise kann man für 50 - 70 Tausend Rubel ohne Warteliste Zutritt zu diesen bekommen. Danach kommen ebenfalls ohne Warteliste die Bevorzugten, zu denen die Kinder von Richtern, Mitarbeitern der Drogenaufsichtsbehörde und der Staatsanwaltschaft gehören. Für "einfache Sterbliche" bleiben letzten Endes nur abgezählte Plätze. Teilweise sehen sie sich gezwungen, die Rolle eines "freiwilligen" Sponsors zu übernehmen, der Spielsachen kauft und anfallende Renovierungsarbeiten des Gebäudes bezahlt.

Die Mütter aus Jekaterinburg forderten die Beamten dazu auf, die Verfassung der Russischen Föderation, die jedem Kind eine Ausbildung garantiert, noch einmal durchzulesen. Worauf die "Diener des Volkes" erst jetzt vorschlugen, dreistündige Tagesgruppen für alle Kinder zu organisieren.

Aus irgendeinem Grund finden die Behörden in anderen Regionen Russlands eine Möglichkeit, Familien tatsächlich zu unterstützen. Im Autonombezirk Jamal z. B. kommt zusätzlich das Gesetz "Über das mütterliche Kapital" zur Anwendung und Eltern, deren Kinder keinen Platz in vorschulischen Einrichtungen bekommen haben, erhalten eine monatliche Abfindung in Höhe von 3 - 4 Tausend Rubel. In Perm wird ähnlich verfahren.

Ohne auf die Probleme der Kinder einzugehen, zweigen die Behörden der Sverdlovsker Region spielerisch Staatsgelder für ihre ambitiösen Projekte ab. So verschlingt der Ausstellungskomplex Jekaterinburg-EXPO 7,5 Milliarden Rubel - für dieses Geld könnte man 10 Tausend Plätze in Kindergärten schaffen. Genauso würden die Beamten alles dafür tun, Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Jekaterinburg zu veranstalten, die ebenfalls teures Geld kosten.

Die Beamten klagen über das Fehlen geeigneter freier Flächen für den Bau von Kindergärten. Die Leckerbissen unter den Bauplätzen in Jekaterinburg haben elitäre Hochhäuser besetzt. Dabei ist die Stadtverwaltung bereit, die Möglichkeit von Landzuweisungen an die Jekaterinburger Diözese zu erörtern, die Pläne über den Bau von 300 neuen Kirchen durchdenkt.

Währenddessen schreibt sich Gouverneur Aleksandr Mischarin den Kampf gegen das Kindergartendefizit als weiteren Erfolg seines ersten Amtsjahres an der Spitze zu, ohne auch nur rot zu werden. Gennadij Oniščenko, Hauptsanitätsarzt Russlands, wies ihn zurecht, indem er erklärte, die Behörden der Sverdlovsker Region seien nur zu zornerfüllten und schlecht durchdachten Ausschüttungen an die Landesspitze in der Lage, unternähmen in Wahrheit jedoch überhaupt nichts, um das Problem zu lösen.

Die ausweglose Situation zwang die Russinnen dazu, äußerste Maßnahmen zu ergreifen. Die Mütter riefen einen nationalen Hungerstreik aus. Ihre Versuche, die regionale politische Elite zu erreichen, waren nicht von Erfolg gekrönt - nun bleibt als letzter Ausweg ein Appell an den russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew.

Ljudmila Maslowa

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