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Der Systemwiderstand hindert Russland daran, Strom nach Europa zu verkaufen

Der Systemwiderstand hindert Russland daran, Strom nach Europa zu verkaufen

08.06.2011 — Analyse


Die Unternehmensgruppe "Gazprom" beabsichtigt im Juni 2011 den Bau der Gaspipeline "Altaj", welche Erdgas von Jamal nach China befördern wird, zu beginnen. Gleichzeitig haben Energieunternehmen der russischen Regierung vorgeschlagen, wieder Gespräche über Stromlieferungen von Ost-Sibirien nach China aufzunehmen. Die Experten sind der Meinung, dass die beiden Projekte sich gegenseitig Kinkurrenz machen. Dabei hat "Gazprom" wesentlich bessere Chancen diesen Kampf für sich zu entscheiden, denn die Chinesen möchten nicht fertige Energie aus Russland beziehen, sie geben sich mit den Rohstoffen zufrieden. Doch der Berichterstatter von "RusBusinessNews" hat festgestellt, dass der Sieg des Gasmonopolisten wesentlich riskanter und strategisch gesehen weniger attraktiv für Russland ist.

Der Bau der Gaspipeline "Altaj", welche rund 14 Milliarden US-Dollar kosten wird, beginnt Mitte 2011 und endet im Jahr 2015. Der Liefervertrag für Erdgaslieferungen von West-Sibirien nach China ist zwar noch nicht unterzeichnet, doch hat man, laut Pressemitteilungen, ein Abkommen zur Lieferung von 30 Milliarden m³ pro Jahr für die nächsten 30 Jahre beschlossen. Der wirtschaftliche Teil des Projekts wird zwar noch besprochen, doch die Leiter der "Gazprom" AG hoffen, dass sie mit den Chinesen die Preise bereits Mitte Juni bestimmen

Doch die Experten teilen den Optimismus der Top-Manager des Gasmonopolisten keinesfalls. Analytiker des Fonds für nationale Energiesicherheit Igor Juschkow ist der Meinung, dass es sehr gefährlich sei, eine teurere Gaspipeline zu bauen, um die Lieferung in ein einziges Land zu n. China, welche für die Unnachgiebigkeit in Preisfragen berühmt und berüchtigt ist, kann leicht eigene Preise durchsetzen. Während der Verhandlungen werden die Chinesen die Russen mit der Unmöglichkeit die Förderung zu stoppen und den Alternativlieferungen aus Turkmenistan, da das Land gerade sein Pipelinenetz in Richtung China ausbaut, erpressen. Gleichzeitig gibt es auch, so I. Juschkow, die Gefahr, dass der Vertrag gar nicht erfüllt wird. Das Volumen der Gasförderung sinkt in Russland von Jahr zu Jahr, die Verpflichtungen von "Gazprom" gegenüber den Kunden wachsen aber ständig. Wenn der Monopolist alle seine Projekte verwirklichen wird, dann wird er in kurzer Zeit vor der Frage stehen, wo man das Geld für die Erschließung neuer Vorkommen findet.

Die russische Öl-Industrie, welche bei der Verwirklichung des Projekts "Ost-Sibirien - Pazifik" die möglichen Risiken einfach ignoriert haben, haben ihre Lektion bereits gelernt. China hat die Preise für das gelieferte Öl einfach einseitig gesenkt. Die Russen möchten nicht vors Gericht ziehen, aber ein anderer Weg aus der Situation ist nicht in Sicht.

Gewinnbringender und weniger riskant sei es, so Igor Juschkow, nicht Kohlenwasserstoffe, sonder Strom nach China zu liefern. Zurzeit führt "RusGidro" AG mit der chinesischen Gesellschaft "3 Schluchten" Verhandlungen über die Beteiligung der Chinesen an der Modernisierung des Sajano-Schuschenskaja Wasserkraftwerkes und den anschließenden Lieferungen von Strom nach China. Eine solche Zusammenarbeit, so der Experte, würde Russland viel nützen. Der Bau von neuen Leitungen könnte den russischen Unternehmen viele hochtechnologische Bestellungen einbringen. In den letzten 20 Jahren ist das Stromsystem des Landes nur degradiert, nach dem Zerfall der Sowjetunion ist der Anteil des Stromverlustes bei Transport von 9 auf 12% gestiegen.

Leiter des Labors des Instituts für Energieforschung der russischen Wissenschaftsakademie Andrej Khorschew zweifelt daran, dass die russischen Stromanbieter in der Lage sind mehrere lange Dauerstromleitungen zu bauen. Das Land hat einfach nicht genügend qualifiziertes Fachpersonal, um die Inbetriebnahme von so vielen Objekten in so kurzer Zeit abzuschließen. Außerdem sind die russischen Strommaschinenbauer mit der modernen Technologie des Baus von Stromanlagen, welche für superkritische Dampfparameter ausgelegt sind, nicht vertraut. Als Ergebnis werden die Meinungen immer lauter, dass die Stromanlagen und Leitungen, welche Strom ins Ausland befördern sollen die Chinesen bauen und warten werden, was für Russland, strategisch gesehen, uninteressant ist.

Deswegen bleiben alle Pläne zu Stromlieferungen nur auf dem Papier. So sieht, zum Beispiel "Generalplan der Verteilung der Stromobjekte bis zum Jahr 2030", welcher im Allgemeinen von der russischen Regierung bewilligt wurde, bis 2020 den Bau von neuen Kohlenkraftwerken in Sibirien und Fern-Ost mit einer Gesamtleistung von 10 800 MWt, welche ausschließlich für den Export nach China ausgelegt sind, vor. Bis jetzt wurden aber immer noch keine Lieferverträge abgeschlossen.

Der ehemalige Chef-Ingenieur von "IrkutskEnergo" AG Sergej Kuimow hat in einem Gespräch mit "RusBusinessNews" erzählt, dass im Jahr 1999 eine russisch-chinesische Expertengruppe, bestehend u.a. aus Experten des ABB-Konzerns gegründet wurde, welche die technischen Möglichkeiten der Stromlieferungen aus Bratsk nach Peking analysiert hat. Die Experten sahen keine unüberwindbaren Hindernisse im Weg, doch die Verhandlungen wurden auf Initiative der Chinesen abgebrochen, welche mitgeteilt haben, dass ihr Land keinen Energiemangel hat.

Nach Erklärung des Generaldirektors des Instituts für Energiestrategie Witalij Buschuew, hat man vor kurzer Zeit der russischen Regierung vorgeschlagen eine Reihe von alten Projekten zu Stromlieferungen von Jakutien und Mittel-Jenissej nach China zu beleben. Jetzt beraten die Experten, ob man die Herstellung der notwendigen Anlagen und Geräte in Russland wiederbeleben, oder die Anlagen in Frankreich bestellen sollte. Doch der Export des Stroms nach China wird nicht mal von diesem Problem, sondern von der fehlenden Nachfrage seitens der Verbraucher gebremst. Die Chinesen, so W. Buschuew, erwerben die fertige Produktion, wie z. B. den Strom, äußerst ungern.

Experten erklären, dass die Chinesen ihren Unwillen sehr geschickt unter den Gesprächen über die "richtige" Strompreisberechnungsformel verstecken. Der Abteilungsleiter des Instituts für Energiesysteme der sibirischen Filiale der russischen Wissenschaftsakademie Alexander Kejko, bemerkt in diesem Zusammenhang, dass es sinnlos sei mit Chinesen über die Preise zu verhandeln, selbst wenn man eine gute Vereinbarung erzielen sollte, wird sie dann später einseitig gebrochen, wie es beim Öl-Vertrag der Fall war. Wenn man die Entscheidung trifft, Energie nach China zu liefern, kann man den wirtschaftlichen Gewinn vergessen, so der Experte.

Professor am Lehrstuhl für automatische Elektrosysteme des föderalen Ural-Instituts Petr Bartolomej, ist der Meinung, dass Russland sich nicht auf den chinesischen Markt einschränken soll, ausreichend Energieverbraucher gibt es in Japan und Europa. Aber um sich auf diesen aussichtsreichen Energiemärkten zu behaupten, müssen die russischen Stromkonzerne erst mal die Energie über weite Entfernungen übertragen können. Heute arbeiten viele Wissenschaftler der EU und USA an diesem Problem, da die Industrieländer billige Energie aus Afrika und Südamerika beziehen möchten.

Theoretisch haben die russischen Wissenschaftler dieses Problem bereits in den 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts gelöst, als sie die Verluste dank den flexiblen Übertragungssystemen, welche die Außentemperatur, übertragbare Leistung, Zwischenabnahmen etc. berücksichtigen, minimisiert haben. Doch dann stellte sich die Frage nach dem Austausch der veralteten Leitungen, welche für die Anpassung des Übertragungsmodus nicht geeignet waren, und die Organisation der Herstellung von neuen Steuerungssystemen, und daran scheiterten die guten Vorhaben. Die sowjetischen Betriebe, behauptet P. Bartolomej, waren an der Verwendung von neuer Produktion nicht interessiert, weil die Betriebsleiter lediglich den Plan zur Herstellung von alten Anlagen erfüllen mussten.

Die Modernisierung des Energiesystems, betonen die Experten, ist nicht nur eine Voraussetzung für den Export von Strom, sondern auch eine Voraussetzung für die Übertragung des billigen Stroms aus Sibirien in andere russische Regionen. Die Stromkraftwerke von Ural und des europäischen Teils Russland sind nicht mehr in der Lage die Netzleistung, welche für die Industrie notwendig ist, zu gewährleisten. Das Erreichen des Entwicklungsniveaus von Europa und den USA wird Russland in eine Energiekrise treiben. Etwas Ähnliches ist in den 80-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschehen, als die Netzfrequenz unter die Minimumrate gefallen ist.

Das Qualitätsproblem der Energie, welches Russland an der Zusammenarbeit mit den Energiesystemen von anderen Staaten hindert, kann, so die Experten, durch die Verwendung von modernen Technologien der Stromübertragung lösen. Um dieses Problem endlich zu lösen, muss man massiv in die Industrie investieren. Die Regierung aber, schiebt die Modernisierung des Netzsystems immer weiter nach hinten, und die russischen Unternehmen sind an der Lösung des Problems nicht besonders interessiert.

Das letzte Phänomen lässt sich ganz einfach erklären: technologisch gesehen lässt sich Erdgas wesentlich einfach über weite Strecken transportieren, als Strom. Deswegen gibt es keine Zweifel daran, dass den Wettbewerb von Erdgas und Strom, die Erdgaskonzerne für sich entscheiden werden.

Wladimir Terletzkij

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