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Haut und Knochen der russischen Fleischbranche

Haut und Knochen der russischen Fleischbranche

27.12.2011 — Analyse


Russland hängt mehr und mehr vom Importfleisch ab. In den letzten Jahren konnte das Land den Import der Hühnerkeulen aus Amerika durch strenge Importquoten für Hühnerfleisch reduzieren, doch das ausländische Rinder- und Schweinefleisch greift die russischen Hersteller an. Der Export dieses Fleisches steigt von Jahr zu Jahr, die ganzen Importersatz-Vorhaben werden wegen der ineffizienten Landwirtschaft nicht umgesetzt. Die russische Landwirtschaft wird nach dem russischen WTO-Beitritt, nach welchem die Zölle für Importfleisch runtergehen werden, hart ums Überleben kämpfen müssen. Die ausländischen Hersteller haben durch moderne Technologien und die Unterstützung des Staates viele Trümpfe in der Hand, die russische Landwirtschaft hofft die positive Trends aufrecht erhalten zu können und spielt die typisch russische Karte - "es wird schon schief gehen" aus.

Rinderfleisch, oder weder Fisch noch Fleisch

Ausländisches Rinderfleisch hat einen Anteil von über 30% am russischen Markt. Einige Experten behaupten aber, dass dieser Anteil mittlerweile um die 70% beträgt, da man bedenken muss, dass nach Russland Fleisch ohne Knochen eingeführt, das russische Fleisch aber mit Knochen gewogen wird. Im Swerdlowsker Gebiet hat importiertes (aus dem Ausland und anderen russischen Regionen) Fleisch einen Anteil von rund 90%.

Russisches Rinderfleisch kann keinen Verbraucher von seiner Qualität überzeugen. Die Fleischwirtschaft wurde bereits seit den Sowjetzeiten als Anhängsel der Milchwirtschaft über Wasser gehalten. Zu den Sowjetzeiten betrug die Anzahl der Fleischkühe nur 2% am gesamten Bestand, heute sind es sogar weniger als 1%. In Europa herrscht ein Gleichgewicht zwischen den Milch- und Fleischkühen. In den USA und Südamerika sind die Fleischkühe mit 70% gegenüber den Milchkühen mit ihren 30% deutlich im Vorteil. In Russland werden junge Bullen, welche die Milchkühe zur Welt gebracht haben und die Milchkühe, die keine Milch mehr bringen, geschlachtet. Im Ausland wird solches Vieh nur zu Tierfutter verarbeitet.

Der russische Rindviehbestand verliert nicht nur an Gewicht, sondern auch an der Quantität. Jährlich nimmt der Bestand um ca. 3% ab. Heute beträgt er um die 20,6 Millionen Köpfe.

Im Zeitraum zwischen Januar und November 2011 wurden 561,7 Tausend Tonnen Rindfleisch nach Russland importiert, dies ist um 4,4% mehr, als im Vorjahr. "Wenn wir heute den Rindfleischimport einschränken, werden wir in kürzester Zeit unseren Rindviehbestand verlieren. Es wird sich für die Bauern richtig lohnen, ihr Vieh zu verkaufen"- erklären die Fleischereibetriebe.

Die Rindfleischpreise sind seit Anfang des Jahres um 22% gestiegen, im letzten Jahr wurde das Fleisch sogar um 40% teurer. Trotz des Preisanstiegs ist der Fleischmarkt für private Investoren nach wie vor unattraktiv, weil man in den Markt mehrere Milliarden investieren muss, die sich erst nach einem Jahrzehnt auszahlen.

Allerdings finden sich noch zukunftsorientiere Unternehmen, welche in die Regionen investieren, wo die regionalen Regierungen ein gutes Investitionsklima geschaffen haben. So wird zum Beispiel, im Tscheljabinsker Gebiet ein Projekt zur Erhöhung des Herdbuchbestandes verwirklicht. Die Investitionen ins Projekt betragen über 3 Milliarden Rubel. Dabei wird das Regionalbudget 550 Millionen für die Entwicklung der Infrastruktur und den Bau der Straßen zu den Ställen bereitstellen, weil dies das größte Problem für die russischen Investoren ist. Außerdem wird die regionale Regierung Erlässe für die Landpacht und Garantien für Bankdarlehen in Höhe bis zu 2,8 Milliarden Rubel gewähren. In den kommenden 5 Jahren soll der Bestand auf 40 Tausend Köpfe anwachsen, was den Betreib zum zweitgrößten in Russland machen wird. Geplant ist auch der Bau einer Schlachtanlage, welche 8-10 Tausend Tonnen Fleisch pro Jahr herstellen wird. Die Ergebnisse des Projekts sind bereits jetzt zu sehen, da das Tscheljabinsker Gebiet mittlerweile über 40% der Rinderherden von Russland hat.

Im Tjumener Gebiet soll der interregionale Züchtungsstall gebaut werden. Dabei geht die regionale Regierung die Entwicklung der Fleischindustrie mit System an. Die Regierung plant einen vertikal integrierten Komplex, welcher alle Stufen, vom Züchtungsstall bis zu einer Schlachtanlage haben wird. Die privaten Bauernhöfe bleiben auch nicht außen vor, sie sollen zur Kalbszüchtung bis zum Alter von 1,5 Jahren hinzugezogen werden. Wie die Berechnungen zeigen, soll jeder Bauer für die Züchtung von 30 Kälbern einen Nettogewinn von 200 Tausend Rubel erhalten, die Landwirtschaftsbetriebe werden Subventionen aus dem Gebietshaushalt erhalten, damit sie die Tiere bei den Bauern zu guten Preisen erwerben können.

Russisches Schwein vs. ausländisches Schwein

In der Schweinezucht sieht die Situation auf den ersten Blick wesentlich besser aus. Die Rückflusszeit für Projekte in dieser Branche ist um 2 Mal kürzer, als in der Rindviehzüchtung, dazu ist die Schweinezucht auch einfacher. Circa 30% der russischen Schweinezuchtbetriebe können als hocheffizient bezeichnet werden. Der Schweinebestand hat im laufenden Jahr die Zahl 18,8 Millionen Köpfe erreicht und verzeichnet ein Wachstum von rund 10% zum Vorjahr.

Das schwache Glied der Industrie ist die Schlachtung, welche noch in den Kinderschuhen steckt. So hat Swerdlowsker Gebiet lediglich 80 zugelassene Schlachthöfe, von denen nahezu alle in den 50er-70er Jahren erbaut wurden.

Das Importschweinefleisch hat einen Marktanteil von mind. 25%, gute Qualität und kommt bereits zerlegt nach Russland. Im Gegensatz dazu bieten russische Lieferanten fast ausschließlich Schlachthälften, die noch zerlegt werden müssen, an. "Sie kommen mit zerschlagenem Rückgrat in die Verarbeitung, weil der Strom, mit welchem sie getötet werden einfach zu stark ist. Man hat das Gefühl, dass sie mit einem Hammer erschlagen werden. In Deutschland werden die Schweine mit Kohlendioxid umgebracht, dabei erhalten sie vor der Schlachtung noch eine warme Dusche und klassische Musik vorgespielt, damit das Fleisch zarter wird", - erklärt der Mitinhaber der Wurstfabrik von Polewskij "Tscherkaschin und Partner" Alexander Tscherkaschin.

Wenn Fleischverarbeitungsfabriken ihre eigenen Schlachthöfe hätten, würde der Preis für Fleischerzeugnisse sofort in die Höhe schießen. Die lokalen Fleischlieferanten verlieren bereits jetzt den Preiskrieg gegen das Importfleisch, welches jetzt auch den Marktpreis bestimmt.

Außer Import, das die Afrikanische Schweinepest die russische Schweinezucht geschwächt. Die Situation war bereits im Jahr 2010 sehr dramatisch, als rund ein Dutzend Regionen von der Krankheit befallen war. Der Grund dafür ist die Nichteinhaltung der Veterinäranforderungen. Alleine im Kursker Gebiet wurden für die Nichteinhaltung der Veterinärvorschriften rund 80% der geprüften Betriebe und alle 11 geprüften Veterinärstationen bestraft. Die afrikanische Pest stellt für den Menschen zwar keine Gefahr dar, doch ist für Tiere sehr gefährlich, da sie nicht geheilt werden kann und keine Vakzine gegen sie erfunden ist. Die Verbreitung der Krankheit kann nur durch Töten von allen Tieren im Krankheitsbrandherd und im Umkreis von 20 Kilometers gestoppt werden. Das russische Landwirtschaftsministerium hat ein Programm zur Bekämpfung der Schweinepest entwickelt, doch selbst die Landwirtschaftsministerin Elene Skrynnik gibt mittlerweile zu, dass wenn nicht rechtzeitig entsprechende Schritte eingeleitet werden, Russland den ganzen Schweinebestand verlieren kann.

Fleisch mit einem Politikduft

Das Importfleisch kommt auf seltsamen Wegen nach Russland. Es existieren Länderquoten, die unter bestimmten Lieferanten verteilt werden. Die Quotierung musste nach den Vorfällen aus den 90-er Jahren eingeführt werden, als der russische Markt im Importfleisch versunken ist. Die Regierung war aber erst im Jahr 2003 reif genug, um die einheimischen Produzenten zu unterstützen. Die Regierung rechnete nach, in welchem Umfang Fleisch früher eingeführt wurde und legte dementsprechend die Quoten fest. Eine solche einseitige Angehweise lies neue und aussichtsvolle Spieler nicht an den Markt und hat die Force-Majore-Umstände wurde ebenfalls nicht berücksichtigt. So wurden, zum Beispiel, um Jahr 2011 über nahezu alle brasilianischen Betriebe (eines des größten Fleischlieferanten nach Russland) für 4 Monate eine Importsperre aus veterinären Gründen verhängt.

Die Spieler am Fleischmarkt sehen keinen Grund für den Bestand der sogenannten Länderquoten. Ihre Abschaffung wurde den Unternehmen ermöglichen die besten Lieferanten auszusuchen und bei Importsperren gegen bestimmte Länder schnell zu reagieren. Außerdem bietet das bestehende Verfahren ein breites Feld für politisches Lobbieren und Erpressung.

Den nächsten Grund zur Aufregung brachte die Nachricht über den WTO-Beitritt Russlands. Da das Abkommen noch nicht ratifiziert ist, versuchen die Vertreter der Landwirtschaft ihre Gedanken der Regierung nahe zu legen. Wie der Präsident der Landwirtschaftsholdinggesellschaft "Miratorg" Viktor Linnik erklärt, wäre es ratsam erst die Landwirtschaft auf das konkurrenzfähige Niveau zu bringen und erst 10 Jahre danach der WTO beitreten, wenn es diese Organisation dann noch geben wird.

Die WTO-Beitrittsbedingungen sind noch nicht bekannt. Aber die preisgegebenen Informationen lassen schließen, dass die russische Viehzucht vom Import weggespült wird. Die Einfuhrzölle für Schweine werden von 40 auf 5% zurückgehen, was wiederum den Preis nach unten drücken in die Attraktivität der Schweinezuchtbetriebe gleich Null setzen wird. Die Senkung der Zölle auf die Einfuhr von Tiernebenprodukten von 25 auf 15% werden die wagen Hoffnungen auf die Investitionen in die tiefe Schweinefleischverarbeitung einfach zerstören. Das Abkommen über die Einfuhr des sogenannten hochwertigen Rindfleisches aus USA, Kanada und Argentinien, welches dann unter den 15%-Zollsatz fällt, wird den Lieferanten ermöglichen Schlachtabfälle als hochwertiges Fleisch zu verkaufen und die Quoten umzugehen, da die Exporteure sich selbst die Qualitätszertifikate ausstellen werden, so V. Linnik. Die jährlichen Verluste des russischen Haushalts werden von Experten auf 5-6 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Die europäischen Bauern werden sowohl von modernsten Technologien, als auch vom Staat unterstützt, dagegen steht der russische Bauer, wie ein einsamer Krieger mitten auf dem Feld. Die landwirtschaftlichen Subventionen betragen bis zu 40- 50% des Preises in der EU, in Finnland und Japan sind es sogar 70%, in Russland, dagegen ärmliche 3,5%.

Ljudmila Solodkowa

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