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Russland lernt nicht aus amerikanischen Fehlern28.03.2012 — Analyse Die russischen Industriearbeiter schlagen Alarm: Innerhalb der letzten sechs Monate sind die Tarife für den Güterversand mit der Eisenbahn aufs Doppelte gestiegen und sollen zum Sommer hin weiter ansteigen. Die AG "Russische Eisenbahnen" begründet den Anstieg mit dem Verschleiß der Infrastruktur und verspricht, großen Industrieunternehmen als Ausgleich für die Investitionen in das Transportwesen Spezialtarife zu gewähren. Die Experten sind einhellig der Meinung, dass es ohne größere Investitionen in die Branche kaum zu einer Beseitigung der Schwachstellen kommen wird, halten jedoch die unüberlegte Reform der Russischen Eisenbahn für die Hauptursache von deren sinkender Effizienz. Der Korrespondent der "RusBusinessNews" überzeugte sich davon, dass die Einführung einer freien Marktwirtschaft in einem Monopolsystem zu einer Diskriminierung des Gewerbes und illegalen Einkünften des Monopolisten geführt hat. Unmittelbar vor Jahresbeginn sind die Tarife für den Güterversand mit der Eisenbahn offiziell um 6% gestiegen. Im Februar hat die AG "Erstes Frachtunternehmen" sie im Durchschnitt noch einmal um 3% angehoben. Dies wurde damit begründet, die Frachtkosten an die marktüblichen Preise angleichen zu wollen. Die empörten Metallarbeiter ließen die Journalisten wissen, dass das größte russische Dienstleistungsunternehmen sie allzu oft "nach oben angleicht": Die Ausgaben der Industrieunternehmen für den Güterversand in Waggons der Tochterfirma der Russischen Eisenbahn sind seit September 2011 um mehr als das Doppelte gestiegen. Der Anstieg der Tarife fiel zeitlich mit der Strukturkrise der Russischen Eisenbahn zusammen. Sofja Katkova, Projektleiter bei der GmbH "Meerbautechnologie", meint auf dem Portal RUPEC, die Arbeitsproduktivität der AG "Russische Eisenbahnen" sei zehnmal niedriger als in den Ländern, die auf dem Weltmarkt führend seien, und der Durchschnittsverschleiß des Hauptbestandes betrage 55% (bei Güterwaggons 87%). Aufgrund der infrastrukturellen Einschränkungen hätten sich die Zeiträume für den Güterversand vergrößert und viele Wirtschaftsprozesse seien zerstört worden. Als die Situation in der Branche unerträglich wurde, entschied sich eine Reihe der Unternehmen, die Güter versenden, die "Staus" auf den Gleisen auf eigene Faust aufzulösen. Insbesondere die AG "SIBUR-Trans" plant, im Juli 2012 zusätzliche Gleise am Bahnhof Nojabrsk-2 in Betrieb zu nehmen, was einen Einsatz der Verladeanlage zum Transport eines breiten Spektrums an Kohlenwasserstoffen bei voller Leistung ermöglicht. Außerdem ist die Erneuerung der öffentlichen Gleise am Bahnhof Tobolsk und die Entwicklung einer Reihe von weiteren Bahnhöfen vorgesehen. Auch die AG "NOVATEC" unterzeichnete ein Abkommen mit der Russischen Eisenbahn und versprach, 30 Milliarden Rubel in den Ausbau des Schienennetzes der Sverdlovsker Eisenbahn zu investieren, wohingegen sich die Eisenbahner zum Ausgleich der Investitionen dazu verpflichteten, Güter zu annehmbaren Tarifen zu befördern. Die Experten standen den Plänen der Gas- und Chemiebranche skeptisch gegenüber: Die Investitionen laufen beim heutigen Warenumschlag ins Leere. S. Katkova meint, dass in entwickelten Ländern differenzierte Tarife festgesetzt werden, die die Art der Fracht, die Verkehrssituation, das Gewicht der Fracht usw. berücksichtigen. In Russland macht es keinerlei Sinn, über Preisnachlässe zu diskutieren: Man kann einen eigenen Bahnhof bauen, und die Fracht zu einem günstigen Tarif versenden, woraufhin sie... irgendwo in den Weiten des Landes steckenbleibt. Die Versandgeschwindigkeit der Güter ist mittlerweile derart niedrig, dass nichts anderes übrig bleibt, als die Russische Eisenbahn dafür, dass Wirtschaftsprozesse zerstört werden, mit einer Konventionalstrafe zu belegen. Währenddessen schiebt die Russische Eisenbahn die Schuld an der eigenen Arbeit auf die warenversendenden Unternehmen. Die Reform des Eisenbahntransportwesens sah eine Stärkung der Konkurrenz zwischen den privaten Frachtunternehmen und folglich eine Senkung der Ausgaben für den Güterversand vor. Gekommen ist alles ganz anders: Die Verfügbarkeit des Güterversands ist stark gesunken, und die Preise für Waggons steigen signifikant. Die Regierung der Russischen Föderation ordnete nach einer Bewertung der Situation an, Waggons, die dem Ersten und Zweiten Frachtunternehmen gehört hatten, der Russischen Eisenbahn zu übergeben. Die Industrie konnte daraus jedoch keine Vorteile ziehen. Ende Dezember 2011 brachten die größten Schotterproduzenten in einem Brief an den Leiter der Sverdlovsker Eisenbahn hervor, dass das Waggonbestellsystem komplett am Boden sei, da es nicht mehr durchsichtig sei. Das Servicezentrum für Firmentransporte der AG "Russische Eisenbahnen", dem die Züge des Ersten und Zweiten Frachtunternehmens übergeben wurden, lehnt Bestellungen ohne Angabe von Gründen ab. Die Bahn befriedigt nur 5-10% der Nachfrage der versendenden Unternehmen. Gleb Kinder, Leiter der Eisenbahntransportkomission der Öffentlichkeitsorganistion "Opora Rossii" ("Stütze Russlands"), teilte "RusBusinessNews" mit, dass die Russische Eisenbahn momentan 22% des zur Verfügung stehenden Waggonkontingents nutze, da sie landesweit mit lediglich 700 Kunden Verträge abgeschlossen habe. Die übrigen 102 000 Waggons würden unter verschiedenen Vorwänden nicht für den Güterversand eingesetzt. Im fernen Osten verweigern die Eisenbahner das Gewerbe, da es "aus Moskau keinen Bescheid gibt, wie sie die Tarife berechnen sollen", in Sibirien heißt es, alle Kapazitäten würden für den Kohletransport benötigt, und am Ural werden in erster Linie Sozialgüter transportiert. Auch eine unzureichende Anzahl an Lokomotiven, Maschinisten, Gleisen usw. wird als Grund angegeben. Pavel Belousov, Stellvertreter des Generaldirektors der Produktion der AG "SIBUR-Trans", nimmt an, dass sich viele Probleme durchaus beseitigen ließen: Der Zugmangel ließe sich beispielsweise auf Kosten der lokalen Frachtunternehmen beseitigen, deren Entwicklung wird jedoch momentan durch die staatlichen Strukturen gebremst, die keine privaten Lokomotiven auf den öffentlichen Gleisen zulassen wollen. Vitalij Fedotov, kaufmännischer Direktor der AG "Seversnabkomplekt" ("Nordversorgungskomplex"), behauptet, es gäbe heute genügend Waggons, ja sogar einen gewissen Überbestand, weshalb Verweise darauf, die Züge würden für den Kohletransport benötigt, absolut haltlos seien. Das Problem läge woanders: Auf dem Markt seien Firmen aufgetaucht, die zunächst mit dem Ersten Frachtunternehmen verbunden waren und nun mit dem Zweiten Frachtunternehmen verbunden sind, die den Unternehmern vorschlagen, Frachtverträge zu einem festen Preis in bestimmte Hände zu übergeben. Diejenigen, die dieses Angebot nicht annahmen, bekamen überhaupt keine Waggons und waren letzten Endes gezwungen, die Bedingungen der Erpresser anzunehmen. Von daher kamen auch die "marktüblichen Preise", an denen sich das Erste Frachtunternehmen heute orientieren möchte. Jurij Saakjan, Generaldirektor des Instituts zur Problemforschung durch tatsächliche Monopolbildung, meinte in der Zeitung "Kommersant", dass die Unternehmer heute gezwungen seien, für etwas zu zahlen, wofür sie früher nie gezahlt hätten. Die Reform der Branche habe zu einer größeren Auslastung der Versandunternehmen geführt. Sofja Katkova nimmt an, dass Russland auf dasselbe Problem gestoßen sei wie andere Staaten, die ihre Eisenbahn ein wenig früher reformiert hätten. Eine in den Vereinigten Staaten durchgeführte Untersuchung habe gezeigt, dass die Trennung des Güterversandgewerbes von dem der Infrastruktur zu einer Senkung der Effizienz um 20-40% führt, und eine Aufteilung der Organisation senke die Effizienz um insgesamt 70%. Die Expertin meint, gerade dieser Umstand läge auch bei uns während der Umstrukturierung des Eisenbahnsystems momentan vor. Vladimir Terlezkij |
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