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Die russische Linke will den Oligarchen beikommen

Die russische Linke will den Oligarchen beikommen

20.04.2012 — Analyse


Russland ist bereit, eine Reihe von Großunternehmen zu verstaatlichen, die sich im Besitz von ineffizienten Eigentümern befinden. In der Staatsduma der Russischen Föderation werden momentan Gesetzesentwürfe über die Enteignung erörtert, die von den Kommunisten und den Sozialisten vorbereitet wurden. Die Abgeordneten sind der Auffassung, dass die Verabschiedung eines Gesetzes zur Verstaatlichung bereits überfällig ist, befürchten aber, die Beamten könnten die Kernpunkte wie üblich verdrehen und damit beginnen, sich den Besitz unliebsamer Unternehmer anzueignen. Die vom Korrespondenten der "RusBusinessNews" befragten Experten nehmen an, dass man die ineffizienten Eigentümer vergessen kann, wenn der Staat den Kampf gegen die Geldwäsche in Offshore-Firmen und gegen die Korruption aufnimmt.

Das Komitee in Sachen Eigentumsfragen der Staatsduma der Russischen Föderation schlug dem Parlament die Verabschiedung des Verstaatlichungsgesetzes vor. Den Abgeordneten wurden zwei Entwürfe vorgelegt: "Über die Umwandlung des Vermögens juristischer und physischer Personen, das im Zuge der Privatisierung dem Staats- bzw. Kommunaleigentum entnommen wurde, in Staats- und Kommunaleigentum" und "Über die Rekonfiszierung (Verstaatlichung) des Vermögens sozial ineffizienter Eigentümer". Das erste Dokument hatte die Kommunistische Partei Russlands (KPRF) vorbereitet, das zweite die Partei "Gerechtes Russland".

Die Kommunisten schlagen vor, das Verstaatlichungsgesetz bei den grundlegenden Wirtschaftszweigen anzuwenden: der Rüstungsindustrie, der Energetik, dem Transport und den Infrastrukturbranchen. Sergej Gavrilov, Vorsitzender des Komitees in Sachen Eigentumsfragen der Staatsduma der Russischen Föderation, führte als Grund seiner Auswahl an, dass viele strategische Unternehmen, die sich in Privatbesitz befinden, bestohlen worden oder ohne Investitionen erstickt waren.

Die Rekonfiszierung ermöglicht nach Meinung der Kommunisten eine gerechte Übergabe der Fabriken an effiziente Eigentümer und erhöht die Wirtschaftskraft des Landes insgesamt. Sie schlagen vor, die Unternehmen zum Preis der Privatisierung rückzukaufen, dies jedoch unter Berücksichtigung vorgenommener Investitionen. Denjenigen, die tatsächlich in die Produktion investiert haben, versprechen die Abgeordneten der KPRF eine gerechte Entlohnung. Sie schlagen vor, eine "herbeigewehte" Kapitalisierung - wie etwa durch den Anstieg der Rohstoffpreise - solle keine Berücksichtigung finden.

Im Unterschied zur KPRF hat die Partei "Gerechtes Russland" weniger radikale Absichten. "Wir brauchen keine revolutionären Umwandlungen", erklärte Aleksandr Burkov, Anführer der "Gerechten Russen" in der Region Mittlerer Ural und Staatsduma-Abgeordneter, gegenüber "RusBusinessNews". "Der Gesetzesentwurf der KPRF ist höchst politisch. In diesem ist der Ablauf der Entprivatisierung nicht genau festgeschrieben und der Mechanismus der Preisfindung für die Objekte unverständlich. Das Dokument verliert auch kein Wort darüber, wie mit gewissenhaften Käufern verfahren werden soll. Einige Unternehmen sind seit Tschubais` Zeiten 5-10 Mal weiterveräußert worden".

Die Sozialisten ziehen es vor, von Nationalisierung zu sprechen, einer effektiven Form der Wirtschaftsverwaltung, die in vielen Ländern schon lange angewandt werde. Ihrer Meinung nach ist es unumgänglich, Unternehmen mit über 1000 Angestellten, die die Grundlage einzelner Städte bilden, und in denen Arbeitnehmerverträge gebrochen und Gehälter nicht ausbezahlt werden, an den Staat zu übergeben. In diese Liste könnten auch Fabriken, in denen Arbeiter aufgrund der Nichteinhaltung von Sicherheitsvorschriften umkommen, und Unternehmen, die der Umwelt einen ernsthaften Schaden zufügen, aufgenommen werden.

A. Burkov vertritt die Meinung, auch große Korporationen, die vom Staat gesponsert werden, müssten verstaatlicht werden. Er erinnerte daran, dass die Regierung der Evraz Group auf dem Höhepunkt der Krise des Jahres 2008 Hilfeleistungen in Höhe von 1,8 Milliarden US-Dollar bereitgestellt hatte. Die Summe könnte durchaus für den Kauf eines Aktienkontrollpakets der Holding von Roman Abramovič ausreichen, sie bliebe dabei jedoch im Besitz des russischen Oligarchen. Damals hatten die föderalen Behörden die Möglichkeit ausgelassen, 45% der Aktien von UC RUSAL, deren Rechnungslegung auch nicht gerade glänzen kann, in ihren Besitz zu bringen.

Ivan Gračev, Vorsitzender des Energetik-Komitees der Staatsduma der Russischen Föderation, merkt an, ein ebensolches Bild ließe sich auch in der Generierung von Elektrizität beobachten. Er ist überzeugt davon, dass die aus dem Staatsbudget finanzierten Branchen auch von diesem kontrolliert werden müssten.

Der Parlamentarier glaubt, dass durch die Bewertung grundlegender Unternehmen keine Schwierigkeiten entstehen: Das Gesetz "Über die Preisfindung in der Russischen Föderation" erlaube es, die Kosten des Vermögens ziemlich genau zu bestimmen. Entstehende Unstimmigkeiten könnten hingegen vor Gericht geregelt werden. Das Problem liege woanders: In vielen Unternehmen, die sich ganz oder anteilig in staatlichem Besitz befinden, sei die Wirtschaft vollkommen undurchsichtig, was die Abzweigung von Geldern in den Offshore-Bereich ermögliche. Daher sei neben dem Verstaatlichungsgesetz auch ein Gesetz über die Verwaltung staatlicher Aktienpakete vonnöten.

Die Unternehmer stimmen I. Gračev dahingehend zu, dass staatliches Eigentum alles andere als effektiv verwaltet werde. Dmitrij Baskov, Generaldirektor der GmbH "Uralskij Nikel", vermutet, ineffiziente und undurchsichtige Firmen müssten nur deshalb verstaatlicht werden, um diesen die Ideologie der Entwicklung einzuhauchen: etwa durch Implementierung besserer technologischer Strukturen oder durch Umstrukturierung der Unternehmen im Hinblick auf eine Produktion von Technologien, und nicht von Erzeugnissen. Derartige Vorfälle gebe es in den Staatsfirmen praktisch nicht - für den Ruin von Unternehmen durch die von den Beamten eingesetzten Manager gebe es wesentlich mehr Beispiele.

Als der Staat über ein Aktienkontrollpaket der AG "Konzern "Ižmaš" verfügte, ließ er deren Pleite zu. Der Hersteller von Kalaschnikov-Maschinengewehren wies Jahr für Jahr eine negative Rentabilität aus, nachdem er Exportverträge abgeschlossen hatte. Die Kosten für die reinen Aktiva der Muttergesellschaft und einer Reihe von "Töchtern", die Autos und Motorräder herstellen, lag unter dem Satzungskapital. Eine 2011 eingetroffene Mannschaft von Antikrisenmanagern der staatlichen Korporation "Rostechnologii" stellte fest, dass das Unternehmen auf 30 juristische Personen aufgeteilt worden war, von denen lediglich sieben einen Bezug zur Produktion hatten. Die Verwaltungsstruktur erwies sich als überaus verworren: So gab es z. B. über dem geschäftsführenden Unternehmen "Konzern "Ižmaš" noch die Verwaltungsfirma AG "Iževskij Mašzavod". Auch die Abrechnungen der ins Ausland gelieferten Schusswaffen waren ein Chaos.

Die Situation im Zusammenhang mit "Ižmaš" lässt verstehen, warum sich die Beamten heute so resolut einer Privatisierung kleiner Aktienpakete von Staatsfirmen widersetzen. Der Energieminister der Russischen Föderation meint, man dürfe keine Minderheitsaktionäre der AG "Transneft" zulassen, da diese strategische Projekte umsetzt. Folglich könnten Kleinanleger ihr Veto gegen Verträge einlegen, an denen der Staat Interesse hat. Auch die AG "Zarubežneft" würde gerne auf Probleme bei der Annahme "strategischer" Entscheidungen verzichten.

Die Experten geben zwar zu, dass es mitunter zu Konflikten zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären kommt, eine Umwandlung der AG "Transneft" in ein "Spezialunternehmen zur Umsetzung von Regierungsabkommen in der Erdölförderung" sei auf dieser Grundlage jedoch ökonomischer Nonsens.

Die staatliche Leitung stellt nicht einmal die Kommunisten zufrieden, die befürchten, die korrupten Beamten könnten beginnen, das Verstaatlichungsgesetz für den Kampf gegen ehrliche Unternehmer zu nutzen. "Wir können wunderbar sehen, wie die föderalen Gesetze an bestimmten Stellen sabotiert und missbraucht werden", jammert der Staatsduma-Abgeordnete Nikolaj Jezerskij, "insbesondere das Gesetz "Über die Insolvenz" wird immer wieder zum Instrument von Handelszerstörerattacken auf gewissenhafte Eigentümer. Mitunter reicht es für die Aneignung eines Unternehmens aus, diesem fingierte Schulden anzudichten.

In den russischen Regionen äußerte man sich vorsichtig über die Gesetzgebungsinitiative der Kommunisten. Jevgenij Kafeev, Vizesprecher der Kurganer Regionalduma, schlägt vor, das Fahrrad nicht neu zu erfinden: "Dem Staat steht bereits eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, die den Kampf gegen ineffiziente Topmanager ermöglichen. Man muss lediglich die gültigen Gesetze perfektionieren, indem man den Behörden Zusatzvollmachten zur Bestimmung über das Schicksal zahlungsunfähiger Unternehmen gewährt." Er bezweifelt, dass es den Anhängern der Verstaatlichung gelingen wird, die Bedingungen, zu denen die Unternehmen in Staatseigentum übergehen sollen, genau festzuschreiben. Es werde äußerst schwierig sein, die Grenze zwischen Sorgfalt und mangelnder Sorgfalt zu herauszufinden. Der Parlamentarier meint, dass etwa die Eigentümer zur Lösung ein und derselben ökologischen Probleme mitunter Jahre benötigen.

Konstantin Seljanin, Verwaltungsvorstand für Finanzmarkttätigkeiten bei der Uraler Interregionalbank, schlägt vor, in diesem Zusammenhang ganz auf den Begriff des "ineffizienten Eigentümers" zu verzichten. Seiner Meinung nach würde kein Unternehmer es so weit kommen lassen, tatsächlich verlustbringende Aktiva in seiner Bilanz zu behalten. Weist er aber Jahr für Jahr Verluste aus und verkauft sein Unternehmen nicht, so lasse dies auf die Abzweigung von Gewinnen in den Offshore-Bereich schließen. Gegen Kapitalausfuhr und Geldwäsche müsse in erster Linie der Staat kämpfen. Natürlich komme es vor, dass Entscheidungen der Behörden oder eine schlechte Konjunkturlage zu Verlusten führen, doch hier könne das Verstaatlichungsgesetz augenscheinlich nicht helfen: Man benötige vergünstigte Kredite, Steuererleichterungen usw.

Das Argument, die Verstaatlichung ermögliche es, Eigentümer in die Schranken zu weisen, die ihre Unternehmen nicht modernisieren, ist ebenfalls nicht haltbar. K. Seljanin meint, man müsse bei weitem nicht jedes Unternehmen modernisieren: Manchmal sei es sinnvoller, es vollends "auszupressen" und daneben eine moderne Produktion zu bauen.

Die Experten nehmen an, dass die Diskussion über die Enteignung das Investitionsklima in Russland wesentlich verschlechtert. Die Ursprünge dieser Gespräche gehen auf den Beginn der 90er Jahre zurück, als das Staatseigentum nach Meinung der meisten Russen einfach zerstört war. Daher wird heute vorgeschlagen, das Vermögen entweder an den Staat zurückzugeben oder Kompensationssteuern von den Eigentümern zu verlangen.

Konstantin Seljanin gibt zwar zu, dass die Privatisierung in Russland ungerecht war, schlägt jedoch vor, das Thema Verstaatlichung nicht zu stark anzuregen: "Man sollte alle Privatisierungsverträge der 90er sorgfältig prüfen, die Betrüger einsperren und dieses Thema beenden. Für die Entwicklung eines Landes ist es sehr wichtig, über Jahrzehnte hinweg unerschütterliche Regeln zu haben. Werden diese regelmäßig überarbeitet, kann man das Eigentumsrecht vergessen".

Konstantin Džultaev, Vladimir Terlezkij

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