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Eine Ehrenwache für den heiligen Kranich

Eine Ehrenwache für den heiligen Kranich

18.10.2012 — Analyse


Die Regierung des Autonomen Kreises der Jamal-Nenzen möchte die föderalen Naturschutzgebiete unter ihren besonderen Schutz nehmen. Die Behörden haben sich zu einem so ungewöhnlichen und recht teuren Schritt wegen des miserablen Zustandes der Naturschutzgebiete entschlossen. Wie der Berichterstatter von "RusBusinessNews" erfahren hat, wird in den Waldgebieten, die seit 2005 nicht mehr bewacht werden, Holz abgebaut und Elche geschlachtet. Die Naturschutzgebiete, welche zur Rekreation von seltenen Vögeln und Tieren geschaffen wurden, sind sehr schnell zu einem beliebten Ort für Wildjäger geworden.

Der Gouverneur von Jamal Dmitrij Kobylkin wandte sich an die Verwaltung des russischen Präsidenten mit einem Schreiben, in welchem er bittet, die Kontrolle über die föderalen Naturschutzgebiete "Kunowatskij", "Nadymskij" und "Nizhne-Obskij" der regionalen Regierung zu übergeben. Er behauptet, dass die Wildjäger sich in den besonders wichtigen Naturschutzgebieten wohl fühlen und einige Unternehmen dort unkontrolliert wirtschaftliche Aktivitäten betreiben. Seit 2005 werden die Naturschutzgebiete nicht mehr bewacht, was für den Hohen Norden, wo viele wertvolle Fisch- und Tierarten, wie zum Beispiel die seltenen weißen Kraniche, zu Hause sind, einfach undenkbar sein sollte.

Leiter der Biovielfalt-Abteilung des Russischen Wissenschafts- und Forschungsinstituts für Naturschutz Alexander Sorokin berichtet, dass bis zum Jahr 2005 im Kunowatskij-Naturschutzgebiet sieben Jagdaufseher gearbeitet haben, die mit Booten und Schneemobilen ausgerüstet waren. Nach der Umverteilung der Zuständigkeitsbereiche zwischen dem Bund und den Subjekten, vergaß man den Schutz der Tiere. Die Naturschutzgebiete haben keine eigene Verwaltung und die regionalen Jagdaufseher und –Inspekteure dürfen nach der derzeitigen Gesetzgebung die Wildjäger in den Gebieten des föderalen Zuständigkeitsbereiches nicht verfolgen.

In Kunowat gibt es Füchse, Hasen, Eichhörnchen, Hermeline, Zobel, Nerze, Wildgänse, Birkhähne und Auerhähne. Doch die unzähligen Elche im Naturschutzwald scheinen die Wildjäger magisch anzuziehen. A. Sorokin erklärt, dass die Migrationswege der Tiere durch das Schutzgebiet verlaufen, was den Verbrechern ermöglicht hat, ein profitables Geschäft aufzubauen. Die Wildjäger sind so dreist, dass sie die getöteten Tiere sogar mit LKWs abtransportieren.

Manchmal droht der Staat den Wildjägern mit dem Finger. So haben die Jagdinspektoren im Jahr 2008 nach einer 100-Kilometer Verfolgungsjagd zwei Wildjägergruppen gestellt und sechs Gewehre, mit welchen ein Elch und fünfzehn Birkhähne abgeschossen wurden, beschlagnahmt. Doch selbst die Mitarbeiter der russischen Landwirtschaftsaufsichtsbehörde (Rosselhoznadzor) im Gebiet Tjumen geben zu, dass solch Racheaktionen sehr selten sind. Das Schutzgebiet ist groß, es gibt keine Straßen und aus diesem Grund auch keine ständige Kontrolle. Den Wildjägern ist es ebenfalls bekannt, deswegen verstecken sie sich nicht mal. Sie fällen seltene und teure Bäume, schießen die Enten ab und jagen die Elche.

Die rege Aktivität des Menschen hinterlässt sichtbare Spuren in der Fauna des Hohen Nordens. Ein Teil der Tiere wird abgeschossen, ein anderer Teil verlässt das Gebiet und verliert die ihre Jungen. Alexander Sorokin kennt zwei Fälle, als die besonders "geschützten" Kraniche ihre Neste verlassen haben. Diese Vögel sind besonders vorsichtig und wählerisch, was den Ort für ihre Neste angeht. Sie nesten einzeln in der Nähe von Seen in der grasbewachsenen Tundra, und haben sehr große Angst vor dem Menschen. Manchmal reicht sogar ein Geräusch des Traktors aus, damit die Kraniche ihr Nest verlassen und ihre Eier zurücklassen. Im Gebieet Tjumen gibt es nur eine Handvoll Kraniche, und ihre geringe Population bereitet jetzt nicht nur den Ornithologen, sondern auch den Beamten Kopfschmerzen.

Das Schicksal des Kunowatskij-Naturschutzgebietes und aller anderen föderalen Schutzgebiete am Jamal steht seit 2005 an der Tagesordnung des Ministeriums für Naturressourcen der Russischen Föderation. A. Sorokin berichtet, dass sie zunächst mit dem regionalen Schutzgebiet verschmelzen, doch das nächste befindet sich etwa 1500 Kilometer von Kunowat entfernt, was die Kontrolle über das Naturschutzgebiet unmöglich macht. In dieser Zeit kam die Idee auf, die regionale Verwaltung der russischen Naturaufsichtsbehörde, die sich in Salekhard befindet, zu beauftragen. Doch die Idee erwies sich als unerfüllbar, weil die Beamten des Föderalen Dienstes für Aufsicht im Bereich der Naturnutzung keine realen Möglichkeiten und Ressourcen für den Kampf gegen die Wildjäger haben. Die letzte Hoffnung ist die Regierung des Autonomen Kreises der Jamal-Nenzen, die erklärt hat, dass ihr die Wichtigkeit der Kunowatskij-, Nadymskij- und Nizhne-Obninskij-Naturschutzgebiete bekannt ist und sie bereit sei, die Bewachung zu organisieren und zu bezahlen.

Die Ureinwohner, so Alexander Sorokin, werden mit der Aufgabe der Naturschützer am besten fertig. Sie Leben in Harmonie mit der Natur und ziehen es vor, sie nicht unnötig zu belasten. Das Volk der Chanten glaubt, dass die weißen Kraniche nicht gestört werden dürfen, weil ansonsten die Nachkommen zu ewigen Leiden verdammt werden. Die Kraniche sind die heiligen Vögel der nördlichen Völker, einen fliegenden Kranich zu sehen ist für die Einheimischen ein himmlischer Segen. Die Sichtweise der Ureinwohner ist der Schlüssel für das Überleben und Vermehrung der Population von seltenen Tierarten. Die Kraniche brauchen einen natürlichen Lebensraum. Wenn man ihn erhalten kann, wird auch das zerbrechliche Ökosystem des Hohen Nordens überleben.

Der Vertreter des Föderalen Dienstes für Aufsicht im Bereich der Naturnutzung vermutete in einem Gespräch mit dem Berichterstatter von "RusBusinessNews", dass die Regierung des Autonomen Kreises der Jamal-Nenzen es besser als die anderen schaffen wird, Ordnung in die nördlichen Wälder zu bringen. Im Autonomen Kreis wurde eine Direktion für Bewachung von besonderen regionalen Naturschutzgebieten, welche ebenfalls die föderalen Gebiete kontrollieren könnte, gegründet. Außerdem kontrolliert die Regierung des Kreises bereits heute die Kunowatskij-, Nadymskij- und Nizhne-Obskij-Naturschutzgebiete. Ihr Status schließt den Landerwerb aus, deswegen wird die Verwendung der Landstücke von der Regierung des Kreises überwacht. Aus diesem Grund wäre die offizielle Übertragung der Befugnisse zur Kontrolle und Bewachung der staatlichen Naturschutzgebiete an den Kreis ein ganz logischer Schritt.

Wladimir Terletzkij

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