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Russland läuft vor dem eigenen Schatten weg

Russland läuft vor dem eigenen Schatten weg

26.11.2013 — Analyse


In Richtung Fernen Osten, der bekanntlich, eine heikle Sache ist.

Russischer Präsident Wladimir Putin hat Südkorea angeboten, der Zollunion beizutreten. Die Experten sind der Meinung, dass es eine Improvisation ist, welche das Ziel verfolgt, die östlichen Gebiete des Landes mit Hilfe von koreanischen Technologien zu entwickeln. Die wirtschaftliche Integration der Länder, vorausgesetzt es kommt überhaupt zu einer Integration, ist eine Sache der fernen Zukunft. Es gibt keine Anreize für Investoren in den abgelegenen Gebieten von Russland. Aus diesem Grund wird die Abschaffung von Zollhürden zu einer Technologie- und Kapitalflucht aus Russland nach Südkorea und nicht umgekehrt führen.

Wie der Berichterstatter von "RusBusinessNews" festgestellt hat, werden die Investoren nach Ost-Sibirien und den Fernen Osten erst dann kommen, wenn sich der Staat gegen Industrieländer, welche an der Abschwächung und sogar Abspaltung der östlichen Regionen Russlands interessiert sind, behaupten wird. Diese Aufgabe ohne Vertrauen der einfachen Bürger zu bewältigen ist schlicht unmöglich.

Die russisch-koreanischen Handelsbeziehungen erleben derzeit einen Aufschwung. Nach Angaben der Leiterin des Sektors des Instituts für Wirtschaft und Management der Industrieproduktionen der sibirischen Filiale der russischen Wissenschaftsakademie Frau Galina Kowaljowa stieg der Export in den Jahren 2008 bis 2011 um 170% an. Die Russen exportierten Kohle, Aluminiumlegierungen, Erdöl, Erdölprodukte, Zellulose, Harnstoff, Holz, Spanplatten, Holzkonstruktionen etc. Ab und zu stehen sogar High-Tech-Produkte, wie Teilchenbeschleuniger, Plasmaanlagen, Elektrodenkessel, Diodenpumpen, verschiedene Messgeräte, Elektrogeräte auf der Exportliste.

Der koreanische Import stieg langsamer an, im Jahr 2011 betrug er lediglich 109% des Wertes aus dem Jahr 2008. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, hatten die Konsumgüter in der Importstruktur eine untergeordnete Stelle. Eingeführt wurden vor allem Industrieprodukte. Das Importvolumen war aber mäßig, aus diesem Grund hatte Russland im Jahr 2011 eine positive Handelsbilanz in Höhe von 1,7 Milliarden US-Dollar mit Korea.

Trotz des Aufschwunges sind die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und Südkorea noch sehr schwach. Die koreanischen Investitionen in Russland, rechnete der Leiter des Zentrums für Korea-Forschung des Fern-Ost-Instituts der russischen Wissenschaftsakademie Herr Alexandr Zhebin nach, betrugen in vergangenen 23 Jahren nur 3 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: so viel investiert Korea in China. Der russisch-koreanische Außenhandel ist ebenfalls sehr schwach. Im Jahr 2012 betrug der Umsatz lediglich 25 Milliarden US-Dollar. Zur gleichen Zeit hatte Korea einen Handelsumsatz mit China in Höhe von 250 Milliarden US-Dollar. China hat bereits Japan und die Vereinigten Staaten, welche strategische Partner von Südkorea sind, überholt. Eine solche Abhängigkeit von einem Wirtschafspartner bereitet der koreanischen Regierung Sorgen und zwingt sie einen Blick in Richtung Russland zu werfen.

Beide Seiten zeigen ihr deutliches Interesse. Die Russen laden Partner zur Zusammenarbeit in Bereichen Weltraumfahrt, Eisenbahnbau, Schiffsbau und Nano- und Biotechnologien ein. Die Koreaner wollen die Energielieferungen ins Land diversifizieren, was ohne russische Teilnahme unmöglich ist. Beide Länder führen seit mehreren Jahren Verhandlungen über den Bau einer Gas-Pipeline, einer Stromleitung und der Rekonstruktion der Transkoreanischen-Eisenbahn, doch diese Projekte kommen nicht voran. Einige Experten hoffen, dass der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Russland zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea führen und somit zur Wiederaufnahme der wichtigen Projekte führen wird. Doch sind diese Hoffnungen berechtigt?

Der Analytiker des Fonds für nationale Energiesicherheit Herr Igor Juschkow ist überzeugt, dass man weder eine Gaspipeline übers Land (durch Nordkorea), noch übers Meer bauen kann. Man kann lediglich mit LNG-Lieferungen rechnen, doch dafür braucht man Südkorea nicht in die Zollunion einzuladen. Es gibt sowieso keine Zollabgaben für LNG. Man müsste lediglich ein LNG-Werk bauen, doch "Gazprom" tut sich schwer mit Investitionen in seine Tochter "Wladiwostok SPG". Die Japaner, welche am Projekt teilnehmen sollten, haben die Verhandlungen vorerst abgebrochen. Der Präsident Putin wollte mit der spontanen Einladung von Korea, vielleicht Druck auf seine japanischen Partner ausüben.

Der Experte betrachtet die Zollunion eher mit Skepsis: Russland bringt sie keine wirtschaftlichen Vorteile, weil Weißrussland subventioniert werden soll. Dabei erklärt der weißrussische Präsident A Lukaschenko den Medien, dass sein Land wegen dem Zollunion-Beitritt rund 8 Milliarden US-Dollar verloren hat und will die Wiedereinführung von Zöllen und Abgaben für Leichtölprodukte. Die schwierigen Beziehungen, so I. Juschkow, werden Russland vor einer vorzeitigen Abschaffung der Zollhürden warnen. Eine zollfreie Einfuhr von Waren wird mehreren Branchen schaden. Die Produkte werden zwar aus Südkorea importiert, doch die Investitionen in Russland werden auf einem niedrigen Niveau bleiben.

Frau Kowaljowa erinnerte an eine interessante Tatsache: nach der Gründung der Zollunion begannen die russischen Unternehmen Zweigniederlassungen in Kasachstan einzurichten. Dort hat nach sie nicht erwartet und begann sogar Hürden aufzustellen, das Geschäftsklima war dort aber trotzdem so gut, dass viele Frachten, die für Russland bestimmt waren, dort verzollt wurden. Im Endeffekt haben die Russen mehr in Kasachstan investiert als umgekehrt. Eine ähnliche Situation kann beim Ausbau der Beziehungen mit Korea nicht ausgeschlossen werden, statt gutes Klima für Investoren zu schaffen können viele Projekte in Russland einfach schön geredet werden.

Dass eine solche Situation durchaus möglich ist, bestätigen die Erfahrungen in der russisch-koreanischen Zusammenarbeit. "Das fernöstliche Zentrum für Schiffsbau und –Reparatur", die Tochtergesellschaft der staatlichen Holding "Vereinigte Schiffsbaukorporation" hat ein Joint Venture mit Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering Co., Ltd für den Bau der Zvezda-Werft gegründet. Im Jahr 2012 wurde das Joint Venture wegen Nichteinhaltung der Fristen aufgelöst, die Erdöl- und Erdgas-Tanker haben die Koreaner schnell und gut auf ihren eigenen Werften gebaut.

Heute werden neue Anstrengungen unternommen, um mit dem Bau der Erdgas-Tanker in der Zvezda-Werft zu beginnen. Ob die Geduld der koreanischen Partner diesmal ausreicht ist noch eine große Frage. Die Experten betonen, dass die Russen nicht nur keine Schiffe mehr bauen können, sondern auch Vorkommen erschließen, Energie gewinnen und sogar Fischen verlernt haben.

So hat die Industriegruppe "Base Element" von Oleg Deripaska die südkoreanische POSCO eingeladen, sich am Bau der Stahlwerken und des Stromwerkes am Fluss Lena, der Erschließung und Förderung des Gasvorkommens, welches zur Energiegewinnung genutzt werden soll zu beteiligen.

Andererseits hat die russische Regierung erklärt, dass sie keine Lizenzen für Fischereiunternehmen, welche vom ausländischen Kapital verwaltet werden, erteilen wird. Nach Angaben des russischen föderalen Antimonopoldienstes sind die ausländischen Unternehmen an nahezu allen Fischereien des Fernen Ostens beteiligt. Es bedeutet, dass im russischen Meer Chinesen, Koreaner, Japaner und Amerikaner, aber keine Russen fischen.

Die Experten erklären in diesem Zusammenhang, dass die Versuche der russischen Regierung, die Wirtschaft des Fernen Ostens zu kontrollieren, auf Widerstand der Kräfte, welche Russland aus Europa verbannen und zur Wende in Richtung Osten und Süd-Osten zwingen, stoßen können. Generaldirektor des Zentrums für Politikwissenschaft und Ideologie Herr Stepan Sulakschin betont, dass die Wende durch die Spannung zwischen Russland und dem Westen im politischen, militärischen, wirtschaftlichen und humanitären Bereich beschleunigt wird. Das komische an der Sache ist, dass im Süd-Osten der geopolitische Diktator derselbe ist, nämlich das politisch-militärische Bündnis mit den Vereinigten Staaten an der Spitze.

Durch ihre Vorherrschaft in Süd-Ost-Asien verfolgen die Vereinigten Staaten das Ziel die östlichen Regionen von Russland zu schwächen und sie zur Abspaltung zu bewegen. Aus diesem Grund soll man die Möglichkeit, Südkorea als einen strategischen Investor zu gewinnen, mit großer Vorsicht betrachten. Südkorea verfolgt das Ziel, die Absatzmärkte für die High-Tech-Produkte auszubauen, mehr sollte man von diesem Land nicht erwarten.

Wenn Russland den Fernen Osten behalten will, muss das Land seinen Einfluss in der Region ausbauen und dies ist ohne Siege im wirtschaftlichen Krieg gegen den "möglichen Gegner" unmöglich. "Vom eigenen Schatten in Form der Konfrontationsachse Russland-USA und der politischen Temperatur im Umfeld kann man nicht weglaufen" – ist Herr Sulakschin überzeugt.

Wladimir Terletzkij

 

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