Русский язык English language Deutsch Français El idioma español 中文
REGIONEN PROJEKTTEILNEHMER INVESTITIONS- PROJEKTE KONSULATE UND VERTRETUNGEN NACHRICHTEN UND ANALYSE ÜBER DAS PROJEKT
Zur Startseite  / Nachrichten & Analyse  / Aktuelles  / “Modernisierung” der russischen Monostädte: Sinnlos und erbarmungslos
Wählen: Русский язык English language Deutsch Français El idioma español

“Modernisierung” der russischen Monostädte: Sinnlos und erbarmungslos

“Modernisierung” der russischen Monostädte: Sinnlos und erbarmungslos

20.10.2009 — Analyse


Die Behörden des Gebiets Swerdlowsk beschlossen keine finanzielle Hilfe den Industriebetrieben in den Monostädten zu leisten. Als offizieller Grund gelten die fehlenden Haushaltsmittel. Aus inoffiziellen Gesprächen wurde es dem Kommentator von RusBusinessNews bekannt, dass die regionalen Beamten die Last der Modernisierung von Altindustriegebieten auf die föderale Regierung übertragen wollen. Die Experten sind einig: Werden die Behörden auf allen Ebenen und die Unternehmer über das Schicksal der Monostädte vereinzelt entscheiden, kann die "Modernisierung" mit Verödung von Dutzenden von Ortschaften und Siedlungen enden.

Mit dem Problem der Altindustriegebieten setzen sich die russischen Behörden seit fast zwanzig Jahren auseinander, bis jetzt wurde aber weder der Begriff "Monostadt" definiert noch über die Zukunft dieser Städte entschieden, es wurde auch kein Aktivitätenprogramm entwickelt. Das Ministerium für regionale Entwicklung der Russischen Föderation zählte mittlerweile 400 Monostädte, die Hälfte davon ist in einer Notlage, in 100 ist die Situation schon eher brisant. In diesen Ortschaften ist mindestens ein Viertel der Einwohner in Betrieben tätig, die wegen der Wirtschaftskrise in Konkurs gegangen sind. Die Eigentümer von zwanzig Unternehmen versuchen auch nicht einmal, die Werke wiederzubeleben. 

Der Uraler Föderationskreis zählt 55 gefährdete Städte mit einer gesamten Einwohnerzahl von 4 Mio. Menschen. Besonders stark gefährdet sind das Gebiet Swerdlowsk (mit 20 Monostädten) und der Autonome Kreis der Chanten und Mansen (mit 16 Monostädten). In der ersten Region dominiert die Hüttenindustrie, in der zweiten die Erdölindustrie.

Die Probleme entstanden im Mittelural in den 90er Jahren, als der Binnenmarkt für Metallprodukte auf einmal schrumpfte, und verschärften sich in den 2000er Jahren, als die traditionellen Exportmärkte (Südostasien) allmählich stagnierten. Die Exportlieferungen aus Jugra werden bis jetzt noch nicht gefährdet, nach den Worten von Alexei Passynkow, wissenschaftl. Mitarbeiter des Wirtschaftsinstituts der Uraler Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften, aber werde die Erdölförderung in zehn Jahren sinken und man sollte schon heute daran denken, wo dann die überflüssigen Arbeitskräfte eingesetzt werden könnten.

Keiner der Experten kann mit Sicherheit behaupten, die Arbeit in dieser Richtung sei bereits gestartet worden. Das Thema der Monostädte selbst entstand im russischen Informationsraum im Sommer 2009, als die Arbeiter in Pikaljowo eine Fernstraße absperrten und der russische Regierungschef Wladimir Putin den Eigentümer des Unternehmens Oleg Deripaska wegen der Lohnausfälle öffentlich auspeitschte. Genau nach diesem Vorfall verabschiedeten die Behörden des Gebiets Swerdlowsk in der ersten Lesung den Gesetzentwurf über die Hilfeleistung an städtebildende Unternehmen der Region durch die Einräumung einer Staatsgarantie bei der Aufnahme von Anleihen, durch Subventionen zur Begleichung von Kreditzinsen sowie durch den Zahlungsaufschub der Mieten etc.

Man beschloss jedoch auf derartige Unterstützung zu verzichten, als das Ministerium für regionale Entwicklung der Russischen Föderation sein Interesse für das Schicksal der Monostädte zeigte und sich entschied, durch föderale Programme die Modernisierung der Altindustriegebiete zu finanzieren. Der Wert der Investitionen wurde bis jetzt nicht errechnet, aber schon heute ist es klar, dass dieser Wert hoch sein wird: Kurz vor der Wirtschaftskrise produzierten die Monostädte bis 30 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts. Einige Experten zweifeln daran, dass die benötigten Geldmittel aufgefunden werden. Die Profis haben auch weitere Fragen, die sie an Beamte stellen wollen.

Stepan Sulakschin, Leiter des Zentrums für Problemanalyse und Projektierung im Bereich der Staatsverwaltung, meint, dass die föderalen Zielprogramme als Werkzeuge zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme überhaupt nicht effektiv seien. Die Geldverteiler seien viel korrumpierter als die Gebietsbeamten, so Stepan Sulakschin. Heute werden laut Insight Informationen des Experten mindestens 30 Prozent der Geldmittel im Punkt "Staatlicher Rüstungsauftrag" gestohlen. Im Verkehrswesen veruntreuen die Beamten schon etwa die Hälfte der für den Straßenbau bestimmten Staatsmittel.

Stepan Sulakschin ist sicher, man sollte ein Gesetz über die Monostädte verabschieden, das die Willkür der Beamten einschränkte. Rund vor zehn Jahren wurde so ein Gesetz erarbeitet aber nicht verabschiedet. Vielleicht weil im Gesetz die Verantwortung für das Schicksal der Monostädte unter den regionalen und föderalen Behörden verteilt wurde, es wurde außerdem eine Sonderfinanzierung aus den Haushaltsmitteln und sogar die besonderen Eigentumsverordnungen im Bereich der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft vorgeschlagen. Heute bekommen alle Monostädte, inklusive Atomzentren, laut der Normpraxis gleiche Budgets. Das alles könne ähnliche Situationen wie in Pikaljowo verursachen, so Stepan Sulakschin.

Oxana Dmitrijewa, Abgeordnete der Staatsduma und ehemalige Arbeitsministerin der Russischen Föderation, ist überzeugt, der Vorfall in Pikaljowo zeigte, dass man zwischen dem uneffizienten Verwalten des Eigentums und den objektiven Gründen des Produktionsverfalls unterscheiden sollte. In den Monostädten mit Schwerpunkt Rohstoffe und in den Städten mit den Produktionen des ersten Verteilung (also die meisten russischen Werk-Städte) gebe es keine Gründe für Stilllegung der Betriebe. Das letzte sei nur in Ausnahmefällen notwendig: Wenn beispielsweise die Rohstoffe alle oder die Produkte sehr veraltet und folglich nicht gefragt seien.

Die Erfahrungen zeigen, dass die Unternehmen, die die 90er Jahre überstanden haben und während der Wirtschaftskrise 2008 ihre Arbeit fortsetzten, gute Perspektiven haben. In den Städten, in denen sie liegen, braucht man nun die bestehenden Produktionen wiederzubeleben. Auch im Maschinenbau, also in der traditionell nicht wettbewerbsfähigen Branche, seien nur einzelne Sektoren wie Autoindustrie einer gründlichen Umstrukturierung der Produktion mit dem Einsatz der Personalpotentiale bedürftig, so Oxana Dmitrijewa.

Die Behörden sollten an die Produktion und nicht an die Eigentümer denken, meint die Expertin. Die Betriebe, die offensichtlich schlecht geführt werden, sollte man einfach bankrott erklären, so Oxana Dmitrijewa. Es sei zwecklos, in solche Monostädte das Geld zu investieren: Das Geld bekomme nicht das Unternehmen, sondern der schlechte Eigentümer.

Laut der Erklärung von Juri Ossinzew, stellv. Minister für regionale Entwicklung der Russischen Föderation, wollen die föderalen Behörden die gesamten weltweiten Erfahrungen bei der Sanierung der Monostädte verwenden. Die Experten meinen aber, dass diese Aufgabe kaum gelöst werden könne, wenn das Ministerium auch im Weiteren die Brände nur in einzelnen Städten mit Geldmitteln des Investitionsfonds lösche.

Im Ural versuchte man schon mehrmals die Monostädte zu modernisieren. In der Stadt Gubacha in der Region Perm wurden in den 90er Jahren wegen der fehlenden Rentabilität alle Kohlengruben geschlossen, man begann den Bergleuten die Wohnungen in Perm zu vergeben, die große Übersiedlung klappte aber nicht: Die Grubenarbeiter vermieteten ihre Wohnungen in der Hauptstadt der Region und kehrten nach Gubacha zurück. Die Gelder, die in die Gründung anderer Produktionen investiert werden mussten, brachten auch keine erwartenden Ergebnisse: Die Bergleute wollten in den neuen Betrieben nicht arbeiten.

Alexei Passynkow sagt, die Entwickler des Programms zur Sanierung von Gubacha haben an die Psychologie der Arbeiter kaum gedacht: Die Bergleute haben ihre besondere Mentalität, sie werden nie in einem Maschinenbauwerk tätig sein. Ein Szenario mit der Gründung einer neuen Produktion sei auch nicht immer realisierbar. In Jugra sei es nicht effizient, die erdölchemischen Unternehmen zu eröffnen: Es sei viel billiger das gewonnen Erdöl über eine Pipeline an die bestehenden Erdölverarbeitungswerke zu transportieren, wo gerade die Benzin- und Masutkonsumenten da sind. Die innovativen Kleinunternehmen können in der Taiga auch kaum gegründet werden, denn die Lebensbedingungen seien da anders und es fehle an entsprechenden Fachleuten. Man könnte sie natürlich mit hohen Löhnen anlocken, man sollte besser da aber nichts machen: Die Innovationen seien nur da am Platze, wo die Hauptproduktion keine neuen Verfahren brauche, so der Experte. In den Erdölstädten werden die Innovationsunternehmen gleich nach der Erreichung der Spitzenförderungen auch stillgelegt.

Deswegen, so Alexei Passynkow, sollte man einige Städte in Jugra schon heute schließen und den Übersiedlungsprozess starten. Künftig sollte man bei Erschließung der neuen Vorkommen in Ostsibirien daran denken, ob es sich lohne, so viele Städte aufzubauen. Es wäre vielleicht viel effizienter, nur moderne Schichtsiedlungen für ca. 30 Jahre zu errichten. 

Ewgenij Animiza, Professor der Uraler wirtschaftlichen Universität, betont, dass der Staat nicht nur eine richtige Entscheidung rechtzeitig treffen, sondern auch eine effektive Zusammenarbeit von föderalen, regionalen und lokalen Behörden und städtebildenden Unternehmen zur Sanierung der Monostädte gewährleisten sollte. In der Realität erfolge die Zusammenarbeit aber nicht so, wie es die Wissenschaftler geplant haben.

Besonders gefährdet ist nach der Meinung der Behörden die Stadt Sewerouralsk mit dem Bauxitbergwerk. Über die Unrentabilität des Unternehmens sprach man erstmals noch Anfang der 90er Jahre, seitdem wurde aber immer noch keine Entscheidung über das weitere Schicksal des Betriebs getroffen: Man sollte entweder neue Gruben eröffnen und teure Boxiten gewinnen oder in den nächsten 15 bis 20 Jahren die Einwohner übersiedeln lassen.

Roman Lukitschew, regionaler Vertreter des Eigentümers (OK RUSAL), sieht keine Gründe für Beunruhigung: "Sewerouralsk ist eine bestehende Stadt, in der neben den Unternehmen von RUSAL auch andere Geschäfte getrieben werden, es wird die Richtung Nord- und Polarural entwickelt und die Straßen gebaut etc. Soviel ich weiß, gibt es keine Pläne zum Verlassen dieser Stadt."

Juri Ossinzew berichtete inzwischen im Föderationsrat darüber, dass "unter den Bedingungen der Wirtschaftskrise vom Eigentümer des städtebildenden Unternehmens (OK RUSAL) alle möglichen Lösungen, auch harte wie Schließung der Produktionen, berücksichtigt werden müssen." Im Bauxitbergwerk sind 8.000 Menschen tätig, also 77 Prozent der Mitarbeiter des Industriesektors des Stadtkreises Sewerouralsk, deswegen zählt die Stadt zu besonders gefährdeten Städten Russlands. Alexei Passynkow behauptet, der Zusammenbruch könne bereits in 10 Jahren anfangen. 

Der Eigentümer des Bergwerks hat vielleicht seine weiteren Aktivitäten noch selbst nicht definiert oder er will die kleine Bergwerk-Stadt Sewerouralsk mit ihrer hohen Bürgeraktivität in Ruhe lassen. Dies kann in jedem Fall der Stadt nur schlechten Spaß machen: Die Einwohner der gefährdeten Gebiete müssen sich das Schicksal ihrer Ortschaft klar vorstellen und zusammen mit den Behörden und Unternehmern auch einen bestimmten Teil der Verantwortung für die Zukunft der Standt auf sich nehmen. Stille Spiele können dazu führen, dass die Diversifizierung der Wirtschaft in den Altindustriegebieten Russlands wie alle russischen Reformen durchgeführt wird: Sinnlos und erbarmungslos.

Wladimir Terlezkij

Regionen Projektteilnehmer Investitions- projekte Konsulate und Vertretungen Nachrichten und Analyse Über das projekt
«Summa Technologij»®
Erstellung der Website
Site promotion