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Russland steckt im schweren Erdöl02.11.2009 — Analyse Die wesentliche Reduzierung der Erdgaspreise ließ an der Rentabilität der Erschließung des Schtokmann-Gasfeldes zweifeln. Die Experten meinen, dass die Wirtschaftkrise den Abbau der Kohlenwasserstoff-Ressourcen nicht nur in der Barentssee sondern auch in Ostsibirien erschwert. Den Ressourcenmangel könnte man mit nicht herkömmlichen Quellen der Kohlenwasserstoffe ausgleichen, ihre Gewinnung aber wird wegen der fehlenden Verfahren und der nicht effizienten Besteuerung gebremst. Im Endergebnis, wie der Kommentator von RusBusinessNews herausfand, könne Russland in der nächsten Zukunft die Kontrolle über eigenen Energieressourcen verlieren. Das Schtokmann-Gaskondensatfeld mit über 3 Trillionen kbm Erdgas und 27 Mio. t Erdöl wurde schon 1988 entdeckt. Es liegt im zentralen Schelfteil im russischen Sektor der Barentssee, 600 km nordöstlich von Murmansk. An seine Erschließung machte sich Russland jedoch erst in den 2000er. Bei der Erklärung über den Abbau des Vorkommens ging die Regierung davon aus, dass die Gasbedürfnisse der USA (des wichtigsten Soll-Verbrauchers von Schtockmann-Vorräten) in den nächsten 10 bis 12 Jahren um das Doppelte steigen und die Preise auch ein weiteres Wachstum verzeichnen. Die Preise sind allerdings in Nordamerika und in Großbritannien drastisch gefallen und die Nachfrage nach Erdgas ist 2009 in der Europäischen Union laut Konstantin Simonow, Leiter der Stiftung für Nationale Energiesicherheit, um 7 bis 8 Prozent gesunken. Neben der Wirtschaftkrise haben den Preisverfall auch die revolutionierten Gewinnungsverfahren von nicht herkömmlichen Kohlenwasserstoffen mitbewirkt, meint Tatjana Mitrowa, Leiterin des Zentrums für Energiemarktforschung am Institut für Energieforschungen der Russischen Akademie der Wissenschaften. In den USA sei nämlich in den letzten anderthalb Jahren die Gewinnung von Methan aus dem Lockergestein (shale) um das Neunfache auf 9 Prozent in der Gasbilanz des Landes gestiegen. Das US-Energieministerium behauptet, die Vorräte von diesem Gas, das sich in den Ritzen des Hartgesteins konzentriert, seien riesig. Die Versuchsbohrung bestätigte die Zweckmäßigkeit dieses Gewinnungsverfahrens auch für Osteuropa. Es gibt vielleicht derartige Vorkommen auch in Russland, darüber kann man erst nach den entsprechenden Untersuchungen schätzen. OAO Gazprom analysiere mittlerweile nur die Informationen und versuche den von Amerikanern angebotenen Preis zu erfassen: 150 USD pro 1.000 kbm Erdgas, meint der Experte. Georgij Bulatow, Leiter des Labors an der Russischen Staatlichen Gubkin Erdöl- und Erdgasuniversität, ist überzeugt, die Amerikaner bluffen nur. Seiner Meinung nach gehe es hier um die Förderung von Erdgas aus Brennschiffern mit einem Bohrverfahren, das bei Förderung von Methan aus Kohlenschichten verwendet werde. Wenn es so sei, dann könne man die Förderung in anderthalb Jahren um das Neunfache kaum steigern: Zu niedrig seien da die Förderleistungen. Die russischen Analysten verhalten sich aber zu Mitteilungen des US-Energieministeriums sehr ernst. Tatjana Mitrowa meint, es sei noch zu früh über die Folgen einer Verfahrensrevolution in der Erdgasförderung zu sprechen, deren Einfluss auf den Markt für Kohlenwasserstoffe aber schon offensichtlich sei: Der Bedarf nach eingeführten Brennstoffen sei in den USA gesunken und die Erschließung des Schtokmann-Gasfeldes werde höchstwahrscheinlich zeitlich verschoben sein. Maxim Tschernega, Analyst in der Investitionsgruppe Octan, bemerkt in diesem Zusammenhang, dass das Schtokmann-Vorkommen überhaupt nicht erschlossen werden könne, wenn das die ausländischen Partner Russlands auf einmal wünschen: Das Land verfüge weder über Finanzmittel noch über Verfahren zur Erschließung der Lagerstätten dieser Art. Wera Jakuzeni, habilitierte Doktorin der geologisch-mineralogischen Wissenschaften, prognostiziert inzwischen einen baldigen Niedergang des Zeitalters der herkömmlichen Kohlenwasserstoffe. Die Ausbeutung der Erdölvorräte erreichte allgemein im Lande 53 Prozent, behauptet die führende Spezialistin von FGUP Allgemeinrussisches wissenschaftliches geologisches Erkundungsinstitut für Öl. Rund 70 Prozent der Vorräte in Westsibirien, der wichtigsten Erdölregion der Russischen Föderation, seien an Lagerstätten mit fallenden Förderungen. Die letzte Abbauphase der Kohlenwasserstoffe bei bestehenden Förderungsmengen werde nur in 20 bis 40 Jahren unter der Bedingung der wesentlichen Reproduktion der Vorräte beginnen. Die Brennstoffgewinnung übertrifft schon seit langem den Zuwachs. Unter den Bedingungen der fallenden Rohstoffgewinnung sollte man nun mit der Förderung der nicht herkömmlichen Kohlenwasserstoffe starten, meint die Expertin. Zu solchen könne in Russland die Gewinnung von Kohlenwasserstoffen aus erdöl- und erdgasführenden Kollektoren mit einer niedrigen Durchlässigkeit, Förderung von schwerem Erdöl und Gas aus Kohlenschichten zählen. Große Vorräte an diesen Ressourcen (außer Kohlengas) liegen in Westsibirien. Laut Wladimir Mirgorodskij, Projektmanager in NizhnewartowskNIPIneft, gebe es schweres Erdöl in Jugra im Bezirk Nishnewartowsk und auf der Halbinsel Jamal. Die wichtigsten Vorkommen seien Russkoje, Wan-Jeganskoje und Fjodorowskoje. Das Hauptproblem, das ihre Erschließung erschwert, sei die Beförderung des dickflüssigen Erdöls. Es gebe nur wenige Varianten zur Lösung dieser Aufgabe: Man könne es entweder mit dem herkömmlichen Erdöl vermischen und dann durch eine Pipeline transportieren oder es in einem Bitumenwerk verarbeiten lassen. Vor einigen Jahren erklärten die Behörden von Jugra, dass in der Region ein modernes Werk zur Bitumenproduktion errichtet werde. Die größten Erfahrungen bei Gewinnung des dickflüssigen Erdöls hat British Petroleum, deswegen wurde genau diese Firma zum Abbau des Vorkommens Wan-Jeganskoje eingeladen. Die Briten saugten das herkömmliche Erdöl ab und starteten jedoch die Förderung des dickflüssigen Öls nicht. Die Vertreter von BP sagten, man könne in Russland die gleichen Verfahren wie in den USA nicht verwenden, so Wladimir Mirgorodskij. Bis jetzt gibt es keine technische Lösung zur Förderung des dickflüssigen Erdöls und in den nächsten ein paar Jahren, behauptet der Projektmanager aus NizhnewartowskNIPIneft, lasse sich das Problem nicht lösen. Es wurde folglich auch kein Werk zur Verarbeitung des schweren Erdöls gebaut. Wera Jakuzeni ist überzeugt, den Abbau der nicht herkömmlichen Quellen der Kohlenwasserstoffe verhindere die Steuergesetzgebung. Der gleiche Zinsfuß für alle Ressourcen und Regionen führte ihrer Meinung nach dazu, dass Kusbass trotz der eigenen riesigen Methanvorräte in Kohlenschichten das Erdgas in Westsibirien bezieht. Es sei jedoch zu bemerken, dass sich OAO Gazprom an das Bohren der Schichten bereits gemacht hat: Laut Wjatscheslaw Tschworo, stellv. Geschäftsführer von OOO Gazprom Dobytscha Kusnezk, werden im Dezember dieses Jahres 7 Bohrungen in Betrieb genommen, das Gas, das dabei gewonnen werde, werde als Autobrennstoff verwendet. Bis 2010 plant man die Anzahl der Bohrungen auf 1.000 zu steigern und das Gas dann an Kraftwerke zu liefern. Die Förderungsmengen bleiben aber immer noch unzureichend: Erst in einer langfristigen Perspektive wird die Firma jährlich 4 Mrd. kbm gewinnen können. Die Experten meinen, Gazprom sei an nicht herkömmlichen Quellen von Kohlenwasserstoffen nicht interessiert, was zur Projektschließung als Folge führe. Waldimir Kaschirzew, korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, spricht über Gewinnung von Methan aus den Kohlenschichten in Kusnezk überhaupt in der Vergangenheitsform: "In der Welt arbeitet man in dieser Richtung sehr ernst. Wir hatten da auch ein Programm. Bis jetzt sei es noch nicht gestorben." Georgij Bulatow betont inzwischen, dass dieses Projekt jedenfalls gute Perspektiven habe: Es sei besser die einheimischen Brennstoffquellen zu gebrauchen, als eine Pipeline von Jamal zu bauen. Das Experiment werde nur bei einer bestimmten Änderung der Gesetzgebung und beim Vorhandensein von Verfahren zur Erschließung der kleineren Lagerstätten erfolgreich sein. In Russland kann sich heute praktisch niemand mit der Entwicklung der Verfahren zur Erschließung von nicht herkömmlichen Kohlenwasserstoff-Ressourcen beschäftigen. Wladimir Mirgorodskij sagt, in Jugra befasse man sich in der ersten Linie nicht mit dem dickflüssigen Erdöl, sondern mit der Verarbeitung von Erdölbegleitgas. Die Regierung des Landes definierte konkrete Fristen, in denen man bis 95 Prozent von diesem Gas verwerten soll. In diesem Zusammenhang solle man hunderte Milliarden Rubel auffinden und eine Menge von technischen und organisatorischen Aufgaben lösen. Die komplexen Probleme, mit denen Russland heute konfrontiert ist, erlaube es jedoch nicht, die Rohstoffbasis des Landes bis 2030 laut der Energiestrategie der Russischen Föderation zu stärken, meinen die Experten. Das Land habe einfach kein nötiges Kapital und keine Verfahren. Die bei der Erschließung des Schtokmann-Feldes und der Vorkommen vom dickflüssigen Erdöl gemachten Erfahrungen zeigten, dass die ausländischen Firmen sie an russische Gesellschaften zum eigenen Nachteil nicht übergeben werden. Das heißt, dass sich Russland in der mittelfristigen Perspektive entweder mit mangelnden Kohlenwasserstoffen auseinandersetzt oder die Förderung der eigenen Ressourcen an technisch fortgeschrittene ausländische Gesellschaften übergibt. Jedes dieser Szenarios wird die Ambitionen des Landes, die sich um den Status einer Energiegroßmacht der Welt bewirbt, streichen. Wladimir Terlezkij |
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