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Russland lässt sein Auge an englische Werkzeugmaschinen gewöhnen09.12.2009 — Analyse Britische Firmen rechnen umsonst mit großen Absätzen ihrer Werkzeugmaschinen in Russland. Der Maschinenbaukomplex des Landes ist zu einer großen Modernisierung noch nicht bereit. Über die Möglichkeiten der gemeinsamen Problemlösung erzählte Igor Bashenow, Geschäftsführer der russischen Vertretung der Manufacturing Technologies Association (MTA), in einem Interview für RusBusinessNews. - Herr Bashenow, welche Aufgaben stellt MTA vor ihre Vertretung in Russland, und warum wurde sie genau in Jekaterinburg eröffnet? - Ich beginne wohl damit, dass die Manufacturing Technologies Association eine nichtkommerzielle Nichtregierungsorganisation ist. Sie vereint unter ihrem Dach rund 260 Hersteller und Händler von Werkzeugprodukten. Das sind vor allem die Metallzerspanungsmaschinen und alles, was zum Werkzeugmaschinenbau gehört, wie Zerspanungswerkzeuge, technologische Ausrüstung, Roboter, allerlei Software. МТА berichtet regelmäßig vor dem britischen Ministerpräsidenten über den Stand der Branche, lobbiert die Interessen der Mitglieder der Association in der Regierung und im Parlament. Und sie lässt sich schon anhören. Die russische Vertretung der МТА wurde 2006 eröffnet. Als Standort wurde Jekaterinburg gewählt, denn im Ural liegt der größte Teil des Maschinenbaukomplexes des Landes. Außerdem ist Jekaterinburg ein wirklich guter Verkehrsknotenpunkt. Dafür spricht auch der weitere Faktor: Hier liegt das Generalkonsulat Großbritanniens. Für den Posten des Geschäftsführers der Vertretung suchte man einige Monate lang nach einem Ingenieur mit Schwerpunkt Metallzerspanungsmaschinen, der Englisch kann. Die Hauptfunktion des russischen Vertreters besteht im Informieren der russischen Maschinenbauer über den Werkzeugbau in Großbritannien. Ich wirke bei der Kontaktherstellung zwischen russischen und britischen Firmen mit. Manchmal entwerfe ich die Verträge, vertrete die englischen Werkzeughersteller bei den russischen Ausschreibungen über die Produktzulieferungen. Im Großen und Ganzen wird meine Arbeit nach der Anzahl der geknüpften Kontakte bewertet. - Wie schwer sei es, diese Kontakte anzuknüpfen? - In der Regel spricht der Vertreter einer englischen Firma, der nach Russland kommt, kein Russisch und kann sich im Land nicht richtig zurechtfinden. Meine Aufgabe besteht darin, für ihn ein Meeting zu organisieren und ihn während des ganzen Aufenthaltes zu betreuen. Die Engländer bitten manchmal nicht bloß um Kontaktherstellung mit einem konkreten russischen Unternehmen, sondern um Kontaktsuche nach einem bestimmten Tätigkeitsprofil. Daher habe ich für sie nach einigen Partnern zu suchen. Neulich besuchte Jekaterinburg beispielsweise der Vertreter der Firma Renishaw PLC, die Messgeräte und metrologische Messtechnik herstellt. Er interessierte sich für Zentren für Nanotechnologie. Ich schlug ihm vor, vor Ort zwei Zentren dieser Art, also an der Uraler Staatlichen Universität und an der Uraler Staatlichen Technischen Universität-UPI, und ein Zentrum für Nanotechnologie in Tscheljabinsk zu besuchen. Alle Unternehmensvertreter kommen hierher nur mit einem rein kaufmännischen Ziel, ihre Werkzeuge zu verkaufen. - Welche Trends können Sie im Verkauf der britischen Werkzeugmaschinen im Ural nennen? - Erstens ist die moderne Metallverarbeitungsanlage ein teures wissenschaftsintensives Produkt. Deshalb wird über ihren Kauf in der Regel lange, bis auf zwei Jahre verhandelt. Vor dieser Entscheidung verhandeln die russischen Maschinenbauer ganz lange, machen Geschäftsreisen, beteiligen sich an Messen und Ausstellungen. Der russische Markt für Werkzeugmaschinen ist voll, hier herrscht eine hohe Konkurrenz unter den ausländischen Herstellern. Praktisch jede britische Firma hat in diesem Bereich immer mit Mitbewerbern aus Deutschland, Japan, Italien, Spanien, China, Taiwan zu tun. Zweitens wollen viele britische Firmen in Russland nur einfache Vertriebspartner finden. Momentan bin ich von der Association beauftragt, den drei oder vier Unternehmen bei dieser Suche zu helfen. - Ist die Anzahl der Kontakte im Krisenjahr 2009 gestiegen oder umgekehrt gesunken? - Die Verkäufe der Werkzeugmaschinen sind drastisch gefallen, und nicht nur bei den britischen Anbietern allein. Sie waren bei den russischen Maschinenbauern überhaupt keine Spitze. Deswegen versuchen nun die Briten hierher zu kommen, die Kontaktintensität ist praktisch auf dem Vorkrisenniveau geblieben. Ich habe aber den Eindruck, dass viele britische Werkzeugproduzenten, die in eine schwierige Lage geraten sind, nun beginnen, Russland als einen potentiellen Absatzmarkt zu betrachten. Sie hoffen dabei oft auf hohe Umsätze. Das ist ein Irrtum, denn es ist unter den Krisenbedingungen noch schwieriger geworden, in Russland zu verkaufen. In einem Jahr wenden sich an mich im Schnitt 12 bis 15 britische Unternehmen. Außerdem arbeite ich mit Vertriebspartnern der britischen Firmen aktiv, die gibt es in Russland schon ganz viele. - Wie hilft die britische Regierung bei der Vermarktung der Werkzeugmaschinen in Russland? - Die Hilfe der Regierung an britische Firmen besteht im Einräumen von Krediten an russische Auftraggeber. Die Bankzinsen sind dabei für die gewährten Finanzressourcen niedriger als die Kreditzinsen der russischen Banken. Die Regierung bietet auch ein Leasingschema an. Diese Schemen arbeiten leider nur schlecht. Die Briten fordern von russischen Unternehmen die Garantien für Rückzahlung der gewährten Geldmittel, die sie aber nicht zur Verfügung stellen können. Daher entstehen bei Leasingfirmen oft Probleme. Denn bei Zahlungsausfällen wird die geleaste Anlage zum Eigentum der Leasingfirma. Wohin soll man aber dann mit diesen Werkzeugmaschinen, wie kann man dann einen neuen Kunden finden, wenn das jeweilige Werkzeug oft einzigartig ist und für eine konkrete Produktion entwickelt wurde? Eine reale Hilfe der britischen Regierung ist Sponsoring der regelmäßigen Beteiligungen der russischen Maschinenbauer an der Ausstellung für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnologie von MTA in Birmingham. Das machen praktisch alle europäischen Länder. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die russische oder eine regionale Regierung zum Beispiel den Besuch der Chinesen im Ural zum Kennenlernen der einheimischen Industrieprodukte sponsert. - Wie sind die Perspektiven der Gründung einer gemeinsamen Werkzeugmaschinenproduktion im Ural? - Die Engländer betrachten diese Gelegenheit. Der MTA-Leitung wurde das Vorhaben der Regierung des Gebiets Swerdlowsk, den Bestand der Werkzeugmaschinen in Industriebetrieben der Region zu modernisieren und im Mittelural eine Produktion der Metallzerspanungsmaschinen zu gründen, kundgemacht. Diese Idee ist allerdings noch nicht reif genug, denn es gibt mehrere hundert verschiedene Werkzeugtypen. Man muss entscheiden, welche Maschinen hier konkret hergestellt werden, weil kein Unternehmen weltweit die gesamte Palette an Werkzeugmaschinen allein produzieren kann. Von der Regierung des Gebiets Swerdlowsk wurde erklärt, dass sie bezüglich der Gründung einer Werkzeugmaschinenproduktion unbedingt auch ausländische Firmen ansprechen werde, die Beteiligung der letzten aber werde direkt von ihrem Engagement abhängen. Die MTA-Leitung hat dies nah aufgenommen. Es wurde eine britische Beratungsfirma mit Schwerpunkt Maschinenbauverfahren bestellt. Aktuell gibt es eine Liste aus rund 30 britischen Unternehmen, die eventuell ihr Interesse fürs Projekt zeigen können. Ihre Vertreter werden im Frühling 2010 Jekaterinburg besuchen und sich vor Ort mit der Realisierung des regionalen Programms zur Modernisierung des Maschinenbaukomplexes und Entwicklung des Werkzeugmaschinenbaus im Gebiet Swerdlowsk bis zum Jahr 2015 bekannt machen. - Ist die Gründung einer Werkzeugmaschinenproduktion kein reines kaufmännisches Projekt? Wozu braucht man die Beteiligung der regionalen Behörden? Denn die Werkzeugmaschinen werden konkrete Uraler Maschinenbaubetriebe kaufen, die in ihrer Tätigkeit von der Entscheidung der Gebietsregierung nicht abhängen. - Die Beteiligung der Behörden wurde im vielen auf meine Initiative eingeplant. Die meisten Industriebetriebe im Ural sind wirklich Privatbetriebe, eine Ausnahme bilden nur die föderalen staatlichen Einheitsunternehmen der Rüstungsindustrie (die Gebietsregierung übt auf sie überhaupt keinen Einfluss aus). Nichtsdestoweniger können die Behörden bestimmte organisatorische Funktionen übernehmen. Es sei beispielsweise viel leichter mit Unterstützung der regionalen Regierung die Geschäftsführer von mehreren Uraler Unternehmen an einen Ort zusammenzubringen und sie über das vorbereitende Projekt zu informieren. Deswegen schätze ich die Unterstützung seitens der Regierung sehr hoch. Da entsteht aber eine Frage: Woher kommt das Geld zur Gründung einer Werkzeugmaschinenproduktion? Die ausländischen Unternehmen finden die Beteiligung an der Realisierung dieses Projektes ehrenvoll, aber sie werden es nicht umsonst machen. Die britische Beratungsfirma, die hierher kommen will, um die Anstrengungen der Briten bei Umsetzung dieses Programms zu koordinieren, hat bereit zwei ähnliche Projekte realisiert. In Polen wurden die Kreditmittel dafür von der Weltbank und auf Zypern von der Europäischen Union gewährt. Gut, wenn man ebenso auch für das Projekt im Ural vereinbart wird. Seitens der Gebietsbehörden wurde angespielt, dass auch die deutschen und italienischen Firmen die Beteiligung an der Realisierung des Projektes zur Gründung einer Werkzeugmaschinenproduktion planen. Ich bin über den Stand der Verhandlungen mit diesen Firmen nicht im Klaren. Dafür weiß ich, in welcher Phase die Verhandlungen mit den Engländern sind. Sie bieten ihr prinzipielles Konzept an. Es ist ins Russische übersetzt und bei der Gebietsregierung eingereicht worden. Der nächste Schritt ist der Besuch der britischen Firmen in Jekaterinburg. Hier sollte man beachten, dass die Modernisierung des Maschinenbaukomplexes und die Gründung einer Werkzeugmaschinenproduktion ganz unterschiedliche Sachen sind. Das Gebiet Swerdlowsk verfügt über eigenen großen Werkzeugbestand mit einem Durchschnittsalter der Maschinen von 15,5 Jahren und einer Abnutzung von 55 bis 60 Prozent. Den ganzen Haufen an Maschinen kann man in einer Stunde nicht ersetzen. Die Werkzeuganlagen, die noch nicht veraltet sind, muss man modernisieren. In Großbritannien gibt es viele Firmen, die ihren Fokus genau auf die Modernisierung der Anlagen legen. Eine modernisierte Werkzeugmaschine kann wieder die Eigenschaften von einer neuen erhalten und sie kostet dabei nur 60 Prozent von dem Wert eines neuen Werkzeuges. Das Programm zur Modernisierung der Werkzeugmaschinen in Russland und insbesondere im Gebiet Swerdlowsk unterliegt keiner Systemrealisierung. In der Nähe gibt es Werkzeugmaschinenreparaturwerke in Kurgan und in Ufa. Das sind genau die Werke, die die Anlagen modernisieren. Sie arbeiten aber nicht nach modernen Modernisierungsverfahren. Diese Richtung scheint allerdings gute Perspektiven zu haben. - Gründen britische Werkzeughersteller ihre Produktionen in China? - Sie gründen eher nicht einfach. Sie bauen große Werke. Die in diesen Werken produzierten Maschinen werden nur auf dem Binnenmarkt verkauft, der riesengroß ist. In Russland ist der Markt auch groß, die Maschinenbaubetriebe sind aber zahlungsunfähig. Der gesamte russische Maschinenbausektor ist dabei in einer Stagnationsphase. Die Gründung einer Werkzeugmaschinenproduktion ist großer Investitionen bedürftig. Damit sie sich mindestens in 8 bis 10 Jahren zurückbezahlen können, muss man jährlich viele Werkzeugmaschinen verkaufen und damit den Break-Even-Punkt erreichen bzw. überschreiten. Niemand garantiert heute, dass sie so gut verkauft werden. Das Interview ist von Pawel Kober vorbereitet |
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