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Welchen Stahl soll Russland härten?15.01.2010 — Analyse Im Dezember 2009 führte China die Zollgebühren für elektrotechnischen Stahl der amerikanischen und russischen Produzenten ein. Diese Maßnahme ist in der ersten Linie gegen die USA gerichtet. Vor Russen haben die Chinesen weniger Angst: Wohl weil die russischen Metallurgen noch keinen Edelstahl produzieren können. Die Russen haben allerdings auch Anlass zur Unruhe: Die Exportlieferungen von Wertschöpfungsprodukten nehmen drastisch ab und der Binnenmarkt hat Bedarf daran. Wie der Kommentator von RusBusinessNews herausfand, kann die Metallurgiebranche nur überleben, falls sie perfektere Produkte für den Elektromaschinenbau herstellt. Die Gebühr für Erzeugnisse von OAO Hüttenkombinat Nowolipezk (NLMK) (Haupthersteller des elektrotechnischen Stahls in Russland) beträgt 4,6 Prozent. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens wird dadurch nicht bedroht, denn selbst vor der Finanzkrise machte die Produktion des elektrotechnischen Stahls vom gesamten Produktionsvolumen von 9 Mio. t nur rund 300.000 t aus, davon 231.000 t stellte OOO VIZ-Stal (Jekaterinburg) her, das der NLMK-Gruppe angehört. Die Finanzkennzahlen der Holding werden allerdings schlechter, weil das besteuerte Segment dem Unternehmen bis ein Viertel der Gewinne bringt. Der Metallpreisverfall 2009 ließ die Geschäftsführung der Gruppe auf den Absatz der Wertschöpfungsprodukte setzen. Der elektrotechnische Stahl sicherte gute Rentabilität: Bis vor kurzem verkaufte man eine Tonne für 3.500 bis 4.000 USD bei den Produktionskosten von 1.200 USD. Aber wie Alexej Lapschin, Präsident von NLMK, im Dezemberinterview berichtete, seien von der Nachfragenschrumpfung in der Krisenzeit insbesondere die Produkte für den Elektromaschinenbau betroffen. Die Exportverkäufe sanken um 60 Prozent und die Preise schrumpften folglich auch. Die chinesische Antidumping-Untersuchung verschärfte die Situation, denn der russische Markt kann den gesamten von NLMK produzierenden elektrotechnischen Stahl nicht verbrauchen. Die sowjetische Industrie verbrauchte bis 200.000 t dieses Stahls im Jahr. Der russische Elektromaschinenbau, so die Experten, verbrauche heute 30.000 bis 40.000 t, also etwa 15 Prozent vom Produktionsvolumen von NLMK. Erstaunlicherweise verkaufen die wenigen Transformatorenhersteller, die noch in Russland übrig geblieben sind, einen großen Teil ihrer Produkte ins Ausland. Die Kraftanlagen hat man in Russland schon seit dreißig Jahren nicht mehr gewechselt. Die Experten zweifeln daran, dass die Modernisierung überhaupt zustande kommt: Der Unfall im Wasserkraftwerk Sajano-Schuschenskaja zeigte, dass das Land genug Energie hat. Die Behörden wollen außerdem die uneffizienten Kapazitäten liquidieren und die neuen ausschließlich mit ausländischen Anlagen ausrüsten. Die Erzeugnisse der russischen Metallurgen werden für deren Produktion kaum verwendet, weil NLMK keinen anisotropen elektrotechnischen Stahl (AES) der HI-B-Klasse produziert. VIZ-Stal stellt vorwiegend die Kommerzklasse dieser Stahlsorte her. Etwas von der HI-B-Klasse produziert das Unternehmen auch, das ist aber nicht der hochwertigste und nicht der teuerste Stahl. Das Unvermögen, die Eliteprodukte herzustellen, schränkt die Absatzmärkte ein, denn die großen elektrotechnischen Unternehmen wie ABB schließen ihre Verträge lieber mit den Stahlproduzenten ab, die das gesamte AES-Spektrum herstellen Es fällt natürlich nicht leicht, die Eliteprodukte zu entwickeln. Laut Michail Gerwasjew, Lehrstuhlleiter für Metallkunde an der Uraler Staatlichen Technischen Universität, hänge die Qualität des elektrotechnischen Stahls nicht nur von Walzung und Erwärmung allein ab, sondern auch davon, womit man ihn gestrichen und beschichtet und wie man ihn bearbeitet habe. Dies alles wirke auf magnetische Eigenschaften des Stahls, deswegen schützen die Produzenten ihre Verfahren vor Mitbewerbern sehr. Die sowjetischen Metallurgen wurden des Plagiats überführt, das habe allerdings nur wenig geholfen. Unter den Bedingungen der steigenden Konkurrenz haben die Russen zwei Auswege: Entweder eine einzigartige Ingenieurlösung entwickeln oder die speziellen Anlagen zur Stahlherstellung der HI-B-Klasse installieren. Die Experten sind überzeugt, die Ingenieure haben sich mit einer einzigartigen Lösung schon verspätet: Der Überleitungsprozess eines neuen Verfahrens dauere in der Metallurgie sehr lange, und man brauche den Stahl schon heute. Deshalb entwickelte NLMK ein Investitionsprogramm, dessen Realisierung die Herstellung des hochwertigen Transformatorenstahls 2012 ermöglicht. Bis dahin können die russischen Metallurgen ihren Platz auf dem Weltmarkt verlieren. Nach den Angaben des Pressedienstes von OOO VIZ-Stal liefere das Unternehmen rund die Hälfte seiner Produkte nach Asien. Nach China wird ein Viertel der Exportprodukte ausgeführt, das ist also einer der besonders aufnahmefähigen Märkte, der in der nächsten Zeit kaum ersetzt werden kann. China begann die Russen des Dumpings noch im Jahr 2005 zu beschuldigen. VIZ-Stal konnte sich damals im Gericht verteidigen. Heute wird das schon schwieriger fallen, weil während der Krise nicht die Marktpreise sondern die Vereinbarungspreise gelten: Die Produzenten müssen ihre Erzeugnisse ja verkaufen. Trotzdem wolle VIZ-Stal, behauptet man im Pressedienst, seine Position im Gericht auch weiter verteidigen und das fehlende Dumping behaupten. Das Unternehmen wird jedoch in der nächsten Zeit Probleme schon haben: Die Zollgebühr macht den chinesischen Markt nicht besonders attraktiv. China drängt bewusst die Lieferanten von Transformatorenstahl von seinem Markt, weil es die Stahlproduktion drastisch steigert. Im Jahr 2002 stellte die Firma Wisco ca. 100.000 t elektrotechnischen Stahls her und heute sind es schon 300.000 t. Noch 100.000 t produziert die Forma Bao Steel, die ihre Produktionskapazitäten weiter ausbaut. Eigene Bedürfnisse kann China mit eigenen Kräften noch nicht decken und muss daher die ausländischen Produkte beziehen. Es werden dabei höhere Anforderungen als in Europa gestellt. Nach Einschätzungen von Experten werden die Chinesen mit der Zeit aus ihrem AES die besten Transformatoren der Welt herstellen. Die russischen Metallurgen kommen mit ihrem Stahl der HI-B-Klasse 2012 knapp vor Toresschluss. Einige Analysten meinen, in dreißig Jahren werde man überhaupt keinen Transformatorenstahl brauchen, und es habe also keinen Sinn, die Anlagen zur AES-Produktion der HI-B-Klasse zu kaufen. Weitblickender wäre es gleich auf modernere Produkte umzuschalten. Der Transformatorenstahl wird höchstwahrscheinlich durch amorphes (nanokristallines) Band ersetzt, das nur zwei Bearbeitungsstadien hat und die Kosten wesentlich reduzieren lässt. Ein derartiger Stahl wird bereits in Indien produziert, es werden die Produktionen auch in China gegründet. In Russland wird im Hüttenwerk Ascha (Gebiet Tscheljabinsk) nur das enge amorphe Band und in sehr kleinen Mengen erzeugt. Das Umsteigen auf innovative Produkte erfordert den Umbau der ganzen Industrie in Russland: Einige Werke wird man schließen und die anderen modernisieren müssen. Das wird natürlich die Interessen von sehr vielen Leuten betreffen und hohe Investitionen kosten. Da in Russland alle Interessen der Industriellen auf engste mit den Interessen der Beamten verbunden sind, kann die Entscheidung über die Modernisierung nur ein charismatischer Staatschef treffen. Die Situation ist heute dafür günstig, deswegen entsteht hier nur eine Frage, ob die heutige russische Regierung für den Industrieumbau genug politischen Willen besitzt. Es gibt allerdings keine Alternative für diesen Schritt: Falls die Metallurgie und der Elektromaschinenbau die neuen Produkte nicht herstellen können, werden sie vom Weltmarkt gedrängt. Wladimir Terlezkij |
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