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Russische Hüttenwerker träumen vom Titantal

Russische Hüttenwerker träumen vom Titantal

27.08.2010 — Analyse


In drei Montaten beantragt die Region Swerdlowsk bei den föderalen Behörden die Gründung einer freien Wirtschaftszone, die als "Titantal" benannt wird. Man plant mit diesem Projekt die Produktion von Erzeugnissen aus Titan- und Aluminiumlegierungen für den heimischen und ausländischen Maschinenbau bei der Werchnesaldaer Metallurgischen Produktionsvereinigung (Unternehmen "VSMPO-Avisma") in Gang zu bringen. Der RusBusinessNews Berichterstatter musste aber feststellen, dass die Geschäftsleitung sehr besorgt sei, dass das Unternehmen die Arbeitsproduktivität nach Weltstand nicht erreichen könne, wenn es Kommunal- und Sportobjekte der Swerdlowsker Region weiter finanzieren muss. Der Gouverneur Alexander Mischarin aber sei noch nicht bereit VSMPO von Soziallasten zu befreien.

Das Projekt "Titantal" wird nicht zum erstenmal besprochen. Die Idee in der Stadt Werchnjaja Salda eine freie Wirtschaftszone zu gründen wurde vor einigen Jahren vom damaligen Regierungschef der Region Swerdlowsk Eduard Rossel vorgebracht. Die Regionalregierung hat sogar diesen Vorschlag beim Föderalministerium für Wirtschaftsentwicklung gemacht, dem man sich aber nicht angeschlossen hat. Aus diesem Grund wollen die Unternehmen, die keine steuerliche Erleichterung gemerkt haben, es nicht eilig haben in die Erweiterung der Bearbeitungstiefe von Titanprodukten bei VSMPO anzulegen. Das Interesse dafür hat lediglich Boing gezeigt, das im Ural ein Gemeinschaftsunternehmen "Ural Boeing Manufacturing" errichtet hat, das sich auf die mechanische Bearbeitung von Titan-Stanzteilen für Dreamliner Flugzeuge spezialisiert.

In 2010 hat Boeing auf der Ausstellung International Airshow in Farnborough / England ein Abkommen mit "Rostechnologije", der Hauptgesellschafterin des Unternehmens "VSMPO-Avisma" über die Gründung eines Forschungszentrums für Titantechnologien und -materialen unterzeichnet. Die neue Organisation hat ihren Sitz nicht in Werchnjaja Salda bekommen, sondern in Moskau, doch rechnet die VSMPO Geschäftsführung damit die Weiterverarbeitung von Titan einzurichten. Das Zentrum wird auf seinen Schultern unter anderem die Ausbildung von Fachkräften tragen, welche die Produktion von Bauteilen des Flugzeugfahrwerkes und sonstigen Boeing Baugruppen einzurichten haben.

Bei den Vorbereitungen darauf hat VSMPO ein Investitionsprogramm bis 2013 genehmigt. Dieses Jahr wird das Unternehmen in die Rekonstruktion der Anlagen 105 Mio. US-Dollar anlegen. Man rechnet im weiteren mit dem zunehmenden Umfang der Investitionen bis auf 200 Mio. jährlich. Die Anlagemittel werden hauptsächlich für die Produktionserhöhung im Schmiedepreßwerk eingesetzt, welches in 2008 nicht mehr belastungsfähig wurde.

Laut Nikolai Melnikow, dem Geschäftsführer von "VSMPO-AVISMA" belief sich der Produktionsausstoß des Titan-Walzguts im Vorkrisenjahr auf 27,5 Tsd. Tonnen. In 2009 aber musste man den Rückgang bis auf 19,7 Tsd. Tonnen feststellen. Heute spricht man vom Auftragsumfang in Höhe von mind. 22,5 Tsd. Tonnen und es wird in 2011 eine weitere Verbesserung der Auftragslage erwartet. "Auf Grundlage der durch das Vereinigte Flugzeugbau-Holding und die Betriebe der Verteidigungsindustrie erteilten Aufträge sollten wir die Kennziffer des Jahres 2007 erzielen", - so bewertet die Geschäftslage der Top-Manager. Durch die Anschaffung von neuen Anlagen kann die Steigerung der Produktion von Titan-Walzgut um 12 Tsd. Tonnen pro Jahr sowie die Qualitätsverbesserung der Erzeugnisse realisiert werden. VSMPO plant die Eigengießerei in Betrieb zu nehmen.

Die Qualitätsprobleme im Bereich Gießerei werden in Russland schon längst angesprochen. Nach Angaben des Pressedienstes des Swerdlowsker Regionalen Verbandes der Industriellen und Unternehmer, sind die Produktionskapazitäten der Gießerei veraltet: die Gießmaschienen der Regionalbetriebe sind im Durchschnitt über 23 Jahre alt und zu über 70% abgenutzt. Der Stand der Produktionsbasis der Verhüttung ermöglicht nicht hochpräzise Gussteile einer komplizierten geometrischen Form und Abmessung herzustellen, wodurch die Gießereibetriebe zu 20 - 60% ausgelastet sind. Einige Werkstätten sind beim Auftragsmangel nur einige Schichten im Monat beschäftigt. In diesem Zusammenhang hat die Region Swerdlowsk ein Programm zur Entwicklung der Gießereibetriebe für einen Zeitraum bis 2020 erarbeitet, trotzdem bleibt die Situation in dieser Branche nach Beurteilung von Industriellen nicht verbessert.

Tatiana Kansafarowa, die Vizepräsidentin des Regionalen Verbandes der Industriellen und Unternehmer ist der Meinung, es müsse die Gesetzgebung der Region Swerdlowsk und allgemein in Russland geändert und die Interessen der Gießindustrie bei staatlichen Behörden aktiver lobbiert werden, um Investitionen anzuziehen.

Die VSMPO Geschäftsführung sagt, dass sie keine Probleme mit Investitionen haben, aber dennoch hoffen sie auf die staatliche Förderung. Dem Generaldirektor des Unternehmens "VSMPO AVISMA" Michail Wojewodin zufolge, sind die Teilnehmer der freien Wirtschaftszone "Titantal" schon bestimmt, aber bevor es mit Investitionen angefangen wird, soll es den Kandidaten zuerst klar sein, welche Präferenzen ihnen durch den Staat gewährt werden: "Die Investoren wollen sich davon überzeugen, dass es sich hier tatsächlich um die Gründung einer freien Wirtschaftszone handelt. Ohne Gewährung eines ermäßigten Steuersatzes könnte es kaum damit gerechnet werden, dass es jemanden gäbe, der kommt und Geld zur Verfügung gibt", - betont er.

Es wurde vom Regierungschef der Region Swerdlowsk Alexander Mischarin erklärt, die föderale Regierung sei bereit die Investoren von Gewinn- und Mehrwertsteuern sowie von Zollabfertigungsgebühren zu befreien. Nach seiner Aussage hängt das Schicksal des Projekts davon ab wie schnell und fachgemäß die Beamten und Unternehmer die mit dem Antrag verbundenen Formalitäten erledigen werden. Das nimmt mindestens drei Monate in Anspruch und wird hoffentlich bis Ende 2010 entschieden. A. Mischarin verlässt sich darauf, dass der Werchnesaldaer Betrieb durch die Begünstigungen in der Lage sein würde auf dem Weltmarkt zu konkurrieren sowie neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Michail Wojewodin aber teilte inzwischen dem Gouverneur mit, dass VSMPO keine Konkurrenz machen könne solange das Unternehmen Betriebe der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft, Sportobjekte, Gaststätten und sonstige Nebeninfrastruktur weiter betreiben muss. In Erwiderung darauf gab der Regierungschef Alexander Mischarin zu verstehen, dass VSMPO in der Folgezeit in Sozialsachen noch mehr belastet wird. Laut ihm solle der Konzern in 2010 neben den Steuerabführungen in Höhe von 1 Milliarde Rubel auch am Bau einer Geburtsklinik in Werchnjaja Salda beteiligen sowie am Entwicklungsprogramm für Sport- und Sozialeinrichtungen teilnehmen. All dies aber bildet keinen Grund die Erhöhung von Löhnen und Gehältern seiner Beschäftigten und die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen abzusagen.

Die Frage auf welche Weise VSMPO mit solchen Unternehmen, die sich mit dem Bau der Geburtskliniken nicht beschäftigen, konkurrieren solle, bleibt immer noch offen.

Wladimir Terletskij

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